Die Maske
wurde den Eindruck nicht los, daß mir diese junge Nonne etwas verschwieg, das durchaus entscheinend sein konnte. Drängen wollte ich sie nicht. Vielleicht erzählte sie mir von sich aus, was sie bedrückte. Man hatte schon auf uns gewartet. Die Äbtissin schaute uns mit einem sehr strengen Blick an.
Bevor Innocencia zu einer Erklärung ansetzte, redete ich und griff zu einer kleinen Notlüge. »Pardon, Ehrwürdige Mutter, aber ich habe mich leider verschlafen.«
»Ach ja?« Sie schüttelte den Kopf und wischte über ihre Augen.
»Komisch, ich benötige wohl eine neue Brille, denn ich glaubte Sie und Innocencia im Garten gesehen zu haben. Nun ja, spielt ja keine Rolle. Wir freuen uns, daß Sie hier sind.«
Meine Begleiterin bekam ein knallrotes Gesicht. Auch ich schämte mich, bei einer Füge ertappt worden zu sein. Wenn die Zeit dafür war, wollte ich es richtigstellen.
Innocencia setzte sich auf ihren Platz zwischen den anderen Nonnen. Ich saß an der Stirnseite des langen Tisches und der Äbtissin direkt gegenüber.
Es wurde gebetet, und auch ich faltete die Hände. Die Nonnen hielten die Köpfe gesenkt, meiner Ansicht nach nicht nur wegen der Andacht. Aus halb geschlossenen Augen schielten sie in die Runde, und zumeist wurde ich von ihren Blicken getroffen.
Es amüsierte mich, daß ich heimlich beobachtet wurde. Als Besucher schien ein männliches Wesen selten im Kloster zu sein. Von der Altersstruktur her waren praktisch alle Phasen am Tisch vertreten. Allerdings überwogen bei den Nonnen die älteren Jahrgänge. Für die Schwestern war es nicht einfach, Nachwuchs zu finden. Das Frühstück war gut und reichhaltig. Auf Kaffee wurde verzichtet, die warme Milch oder der Tee schmeckten auch so. Dazu aß ich dunkles Brot. Es gab Käse und Konfitüre, Wurst wurde nicht gereicht. Die Nonnen unterhielten sich leise miteinander. Man sprach über den Tagesablauf, doch eine Diskussion wollte nicht in Gang kommen. Die Frauen kamen mir irgendwie gehemmt vor, was möglicherweise auch an meiner Anwesenheit liegen konnte.
Des öfteren traf mich der Blick der Äbtissin. Mir kam es vor, als wartete sie darauf, daß ich etwas sagte, möglicherweise von meinen Plänen berichtete. Den Gefallen tat ich ihr nicht. Wußte ich denn, ob jede Person am Tisch eingeweiht war?
Natürlich würde ich ihr von meinen Erlebnissen im nächtlichen Klostergarten berichten, und das am besten direkt nach dem Frühstück, wenn auch noch die anderen Nonnen am Tisch saßen, weil keine aus Versehen über den toten Fuchs stolpern sollte.
Als ich mit meinem Messer leicht gegen die Tasse schlug, was ein hell klingendes Geräusch verursachte, wandte mir jede Frau ihre Aufmerksamkeit zu.
»Entschuldigen Sie, daß ich so einfach das Wort übernehme, aber ich halte es für angemessen, Ihnen von einem Vorfall zu berichten, der sehr merkwürdig ist.«
Nach dieser Einleitung folgte gespanntes Schweigen. Bis auf Innocencia wußte keine der Anwesenden Bescheid. Sämtliche Blicke richteten sich auf mich.
Ich fiel mit der Tür quasi ins Haus, als ich sagte: »In Ihrem Nutzgarten liegt ein toter Fuchs!«
Schweigen, gleichzeitig stille Unruhe, nur an den sich bewegenden Augen der Frauen abzulesen.
Schließlich ergriff die Äbtissin das Wort. »Können Sie das genauer erklären, Mr. Sinclair?«
»Das werde ich sogar.« In den folgenden Minuten hörten mir die Nonnen zu, ohne Zwischenfragen zu stellen. Ich übertrieb nichts, fügte nichts hinzu und blieb bei meinem sachlichen Bericht.
Niemand stellte sie, obwohl sie den Schwestern auf den Seelen brannten! Es gab hier eine Rangordnung, eine Hierarchie, die genau eingehalten wurde, deshalb überließ man der Äbtissin das Wort, die ihren Kopf leicht gedreht hatte und gegen die Reihe der kleinen Fenster in der Wand schaute, hinter denen sich die Helligkeit des morgendlichen Sonnenlichts verteilte.
»Tot ist tot«, sagte sie. »Aber ich gehe trotzdem davon aus, daß es kein normaler Tod gewesen ist, Herr Oberinspektor?«
»Da gebe ich Ihnen recht. Es; war auch kein normaler Fuchs. Dieses Tier stand mit dem Bösen im Bunde. Es folgte nicht mehr seinem eigenen Antrieb, sondern einer gefährlichen, schwarzmagischen Kraft, die meiner Ansicht nach ihren Ursprung in der Hölle hat.« Ich nickte.
»Und damit müssen wir uns abfinden.«
Meine Worte waren nicht ohne Eindruck geblieben. Eine jede Nonne hier am Tisch konnte mit Begriffen wie Teufel und Hölle etwas anfangen. Obwohl im Glauben gestärkt, so
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