Die Maske
gehört?«
»Ich war sogar im Garten!«
War ihr Erstaunen echt, tat sie nur so? Innocencia ging einen Schritt zurück und legte die Handflächen gegeneinander, als wollte sie beten.
»Haben Sie mich — entschuldigen Sie — angelogen?«
»Weshalb sollte ich Sie anlügen? Es stimmt. Ich war noch im Garten.«
»Warum denn?«
»Das will ich Ihnen gern sagen. Ich hörte das Schreien der Füchse. Einsam klingende, fürchterliche Laute, ein schreckliches Heulen, als würden Tiere gequält.«
»Das war im Garten?«
»Genau kann ich es nicht sagen. Jedenfalls habe ich mich in Ihrem Nutzgarten umgeschaut und tatsächlich einen Fuchs entdeckt. Der griff mich sogar an!«
»Und dann?«
»Wollen Sie seinen Kadaver sehen?«
»Nein, bitte nicht!« Sie streckte ihre Hände abwehrend aus. »Ich… ich bin ja so froh, daß Sie noch leben.«
»Trotzdem werde ich noch einmal hingehen.«
»Vor dem Frühstück?«
»Ist denn noch Zeit?«
»Ein paar Minuten. - Ich gehe mit.« Sehr schnell hatte die junge Nonne ihre Meinung geändert.
Ich streifte mir nur meine Jacke über, denn ich wollte die frommen Frauen beim Frühstück nicht schon durch den Anblick meiner Beretta erschrecken.
Wir traten hinein in das Sonnenlicht. Schon jetzt war es sehr warm. Der Wind hatte gedreht. Er wehte aus südlicher Richtung. Dann brachte er Schwüle mit und war gleichzeitig ein Vorbote von Gewittern. Von den anderen Nonnen bekam ich keine zu Gesicht. Die Frauen hielten sich innerhalb der Mauern auf, wahrend wir in den Nutzgarten gingen, der bei Tageslicht überhaupt nicht mehr gefährlich oder unheimlich wirkte, sondern so aussah wie jeder andere Garten auch.
»Wo war es denn?«
»Kommen Sie.« Ich führte Innocencia dorthin, wo die Tannen einen dichten, natürlichen Wall bildeten. Sie rochen wunderbar frisch und auch nach Harz. Der Fuchs lag genau an der Stelle, wo ich ihn tot zurückgelassen hatte. Der Dolch war tief in seinen Körper gedrungen und hatte eine breite Wunde hinterlassen, aus der dunkles, beinahe schwarzes Blut ausgeströmt war. Es hatte sich auf dem Boden verteilt, eine Kruste gebildet und sah aus wie Teer.
Eigentlich hätte der Kadaver von zahlreichen Fliegen umschwirrt werden müssen. Das war hier nicht der Fall. Die Tiere hielten sich zurück, als hätten sie Angst davor, sich an dieser Leiche und dem dunklen Blut zu vergiften. Möglicherweise waren sie sensibler als wir Menschen. Innocencia stand links hinter mir. Sie sagte nichts, hatte die Arme halb erhoben und ihre Hände gegen die Wangen gelegt.
In dieser Haltung drehte sie auch den Kopf, wobei sie zurück zu den Mauern des Klosters schaute, als könnte sie dort Schutz finden.
»Nun?« fragte ich.
Die Nonne holte tief Luft. Das helle Sonnenlicht ließ ihre Tracht noch weißer erscheinen. »Mir… mir fehlen die Worte, John…«
»Es war aber so. Der Fuchs griff mich an. Ich nahm den Dolch. Schauen Sie sich das Blut an.«
»Das — habe ich.«
»Und?«
»Warum ist es so dunkel?«
»Dämonenblut, Innocencia. Oder verändertes Blut. Ein Blut, das mit dem Fluch der Hölle behaftet ist. All dies müssen Sie leider in Betracht ziehen.«
Ihre Augen waren groß geworden und hatten von ihrem ursprünglichen Ausdruck verloren. Trotz der Wärme fror sie, und ihre folgenden Worte paßten zu der plötzlich kalt gewordenen Atmosphäre. »Der Teufel, nicht wahr? Es muß der Teufel gewesen sein, der seine Hand mit im Spiel hatte.«
»Davon geh' ich aus. Auch wenn er es persönlich nicht war. Er hat Helfer.«
»Wie die Füchse.«
»Richtig. Und auch die Maske.«
Innocencia schüttelte sich, als sie meine Antwort htirte. Sie konnte sie einfach nicht richtig fassen, fuhr mit ihrer Zungenspitze über die Lippen und mußte sich meine Frage anhören. Während der Worte ging ich näher an sie heran.
»Und Sie waren in der Nacht wirklich nur in Ihrem Zimmer und nicht hier im Garten?«
Erstaunen breitete sich auf ihrem Gesicht aus. »Wie… wie kommen Sie denn darauf?«
Ich hob die Schultern. »Ich hatte das Gefühl, Sie gesehen zu haben, Innocencia.«
»Nein, das ist…«
»Okay, dann hatte ich eine Halluzination.« Mein Gesichtausdruck wechselte zu einem Lächeln. »Wie war das noch mit dem Frühstück? Sollten wir nicht…«
»Sorry, ich hatte es vergessen.« Einen letzten scheuen Blick warf sie noch auf den toten Fuchs, bevor sie mit leicht zitternden Bewegungen die Umgebung der Tannen verließ.
Wir sprachen nicht miteinander. Ein jeder hing seinen Gedanken nach. Ich
Weitere Kostenlose Bücher