Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Maske

Die Maske

Titel: Die Maske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
konnten nur verarbeitet werden, wenn die Zeit ablief. Dann erst konnte man zu Diskussionen kommen.
    Falls es nicht zu spät war…
    Christiana hatte extra gewartet, weil sie der Äbtissin Gelegenheit geben wollte, den Beichtstuhl vor ihr zu betreten. Die Ehrwürdige Mutter bereitet sich immer gern vor, da brauchte sie die Zeit der Stille, um ihre Gedanken ordnen zu können.
    Die Novizin stand wieder an einem Punkt, wo ihr alles egal war. Am liebsten hätte sie die Brocken hingeschmissen, einfach weggeworfen, sich umgedreht und das Kloster fluchtartig verlassen. Das sollte es schon einmal gegeben haben, hatte man ihr gesagt.
    Sie aber würde so etwas nie können, nein, das war nicht ihr Fall. Vor dem Beichtstuhl blieb sie stehen. Die seitlichen Eingänge lagen nie frei. Auf Ringen und über eine Stange laufende violette Vorhänge verdeckten sie.
    War der Vorhang nur zur Hälfte geschlossen, war es das Zeichen, den Beichtstuhl betreten zu können. War er voll geschlossen, wußte jede Bescheid, daß sie draußen bleiben mußte, um ihre Mitschwester nicht zu stören.
    Christiana kannte die Regeln. In ihrem Fall war der Vorhang nur bis zur Hälfte vorgezogen. Sie lauschte, weil sie erfahren wollte, ob die Äbtissin schon Platz genommem hatte.
    Es war nichts zu hören.
    Eine Hand legte sie um den Stoff. »Ehrwürdige Mutter?« flüsterte sie in den Beichtstuhl hinein.
    Etwas knarrte. Wahrscheinlich hatte sich die Äbtissin auf ihrem hölzernen Stuhl bewegt. Für die Novizin war es Beweis genug, sie wartete bereits auf sie.
    Noch ein tiefes Durchatmen, dann zog sie den Vorhang zur Seite. Nur wenig Licht fiel in die schmale Nische mit der Bank, auf der die Beichtende knien mußte. In Kopfhöhe befand sich ein Fenster aus abgedunkeltem Glas. Das Gesicht der Äbtissin war nur schemenhaft zu erkennen. Durch kleine Sprachschlitze konnte gefragt und geantwortet werden.
    Christiana kniete nieder. Auch bei ihr knarrte das Holz, als die Bank durch ihr Gewicht belastet wurde. An langes Knien hatte sie sich mittlerweile gewöhnt. Irgendwann stumpften die Beine ab.
    »Ehrwürdige Mutter, ich möchte Ihnen sagen, daß…« Die Novizin zwinkerte und stoppte mitten im Satz. Etwas war nicht in Ordnung. Normalerweise begrüßte die Äbtissin jecie Person, die den Beichtstuhl betrat. Sie redete sie auch mit Namen an.
    Jetzt nicht…
    Christiana schluckte. Plötzlich lag eine Eisstange in ihrem Hals. Sie reichte hinunter bis zum Magen. Blinzelnd bewegte sie die Augenlider, wollte es noch einmal mit der Ansprache versuchen, als etwas geschah, was ebenfalls so gut wie nie vorkam.
    Von innen her wurde das Fenster aufgerissen. Ein blitzschneller Ruck, es stand sperrangelweit offen, und die Novizin konnte sehen, wer sich dahinter verborgen hatte.
    Das war nicht die Äbtissin Clarissa. Im Beichtstuhl saß eine andere Person.
    Furchtbar anzusehen und fast nur aus einem Gesicht bestehend — eben die Maske!
    Christiana war dermaßen perplex, daß sie sich nicht rühren konnte. Sie blieb in ihrer knienden Haltung und starrte fassungslos auf dieses schreckliche Gesicht, das aus einer wulstigen, bleichen Masse bestand, durch deren Poren Blut sickerte.
    Nur die Augen waren als menschlich zu bezeichnen. Aber sie schauten die Novizin kalt und gnadenlos an, unter diesem schrecklichen Blick konnte man frieren. Darüber sah sie eine schwarzen Rand, die Krempe des dunklen Huts.
    Du mußt weg! Du mußt verschwinden! Du mußt fliehen! Diese Sätze hämmerten durch ihr Hirn. Es war ihr klar, daß es keine andere Möglichkeit gab. Um Hilfe zu schreien, hatte keine Sinn, sie… Da sah sie das Mesesr!
    Von unten hier war es in die Höhe geschoben worden und stand jetzt als breite blinkende Schräge vor dem häßlichen Gesicht der Maske. Ein Killer-Instrument, grausam und vernichtend.
    Aus der Fläche des Gesichts drang ein zischendes und puffendes Geräusch. Die Novizin empfand es als widerlich. Ihr Gesicht verzerrte sich, sie wollte weg, da traf sie die Klinge.
    Es war überhaupt nicht schlimm, sie spürte nichts. Sie konnte sogar ihr Vorhaben noch durchführen und die kleine Nische an der Seite verlassen.
    Aber weshalb schwebte sie dabei? Warum hielt man sie in ihrem Rücken fest?
    Christiana wußte nicht, daß es der Vorhang war, der sie einwickeln wollte, weil sie ihn mit ihrem Gewicht samt Stange abgerissen hatte. Und sie begriff auch nicht, daß sie rücklings auf dem kalten Steinboden lag und gegen die Decke der Kapelle schaute.
    Warum das alles?

Weitere Kostenlose Bücher