Die Maske des Meisters
antwortete sie kurz angebunden und ausweichend. Je weniger sie sagte, desto weniger konnte sie sich verraten.
Aber eine umfangreiche Antwort wurde von Melissa offensichtlich gar nicht gewünscht, denn sie plapperte munter drauflos: „Du glaubst nicht, was in meinem Leben alles passiert ist. Ich habe mir ein Melanom herausschneiden lassen und dachte schon, ich würde sterben. Du weißt doch, was ein Melanom ist?“
Ich bin nicht dumm, wollte Claire gerade erwidern, doch Mel wartete nicht einmal ihre Antwort ab. „Schwarzer Hautkrebs. Es war nur ein klitzekleiner schwarzer Fleck auf meinem Bauch. Mein Arzt sagte, ich wäre zu oft ins Solarium gegangen. Wie auch immer, Scott stand die ganze Zeit zu mir. Er ist so fantastisch. Um mir zu zeigen, dass er in guten wie in schlechten Zeiten zu mir steht, hat er mir einen Heiratsantrag gemacht. Seit drei Monaten bin ich Mrs. Sherman.“ Sie streckte ihren Arm aus, damit Claire den Silberring mit dem kleinen Diamanten sehen konnte.
So einen habe ich auch, lag Claire auf der Zunge zu entgegnen, doch der Ring verstaubte in dem mit Tapetenresten beklebten Pappkarton, in dem sie ihre Tampons aufbewahrte. Er stand auf dem WC-Spülkasten, um die Tampons in Griffweite zu haben und den Ring jederzeit das Klo hinunterspülen zu können. Doch bisher hatte sie es nicht gemacht. Weshalb, wusste sie selbst nicht. Sie redete sich ein, dass sie ihn eines Tages ins Pfandhaus bringen oder verkaufen musste, weil ihr Erspartes bald aufgebraucht sein würde. „Hübsch.“
„Als Hochzeitsgeschenk hat er mir diesen kleinen Laden drüben an der Ecke gegenüber der Bankfiliale gekauft, damit ich mir dort einen Friseurladen einrichten konnte. Ist das nicht lieb? Er ist letzten Monat zum Filialleiter der Bank befördert worden.“
Manche Menschen suchen sich ihren Lebenspartner nach dessen Beruf aus, lästerte Claire und schimpfte im nächsten Moment mit sich selbst: Jetzt wirst du langsam zickig.
„Er ist großzügig.“ Morris hatte Claire eine dreistündige Dinner-Fahrt auf dem Hudson und dem East River geschenkt. Die Aussicht von der dreistöckigen Spirit of New York war toll. Das Schiff fuhr an vielen Sehenswürdigkeiten wie der Freiheitsstatue, dem Empire State Building und der Brooklyn Bridge vorbei. Die Skyline bei Nacht mit den vielen Lichtern war romantisch, das Abendessen köstlich – aber es war auch eine typische Touristentour und hatte Claire das Gefühl gegeben, nur auf der Durchreise zu sein.
„Komm doch mal zu mir in den Salon.“
Claire fiel auf, dass sie Salon französisch aussprach, als würde die Aussprache ihren kleinen Laden aufwerten.
„Er heißt Mel’s Hair Design.“ Kaum merklich rümpfte Mel ihre Nase. „Du trägst ja immer noch dieselbe Frisur wie als Teenager.“
Das klang wie ein Vorwurf. Claire lächelte müde und sah auf ihre Armbanduhr, als hätte sie es eilig.
„Ich zeige dir einige Frisurenhefte. Vielleicht findest du ja etwas Fesches.“ Prüfend betrachtete Mel sie von allen Seiten. „Ich werde dir eine Haarkur machen, damit deine Haare wieder glänzen.“
Claire ballte die Hände hinter dem Rücken zu Fäusten und zerknitterte somit die Anmeldeformulare.
Melissa spürte wohl, dass Claire sich auf den Schlips getreten fühlte, da sich diese nicht zu ihrem Vorschlag äußerte, denn sie zeigte ihre perfekt geweißten Zähne und beeilte sich zu sagen: „Ich habe dich immer um dein rotblondes Haar beneidet. Wirklich außergewöhnlich.“
Falsche Schlange. Du hättest es doch sowieso platinblond gefärbt, spöttelte Claire in Gedanken.
Bevor sie etwas erwidern konnte, neigte sich Mel ein wenig zu ihr und fügte leiser hinzu: „Ich mache dir auch einen Sonderpreis.“
Das gab Claire den Rest. Glaubte Mel, dass sie arm wie eine Kirchenmaus war und deshalb zögerte, ihr Angebot anzunehmen? Sie schaute an sich herunter. Wie eine Million Dollar sah sie natürlich nicht aus, doch auch nicht wie ein Sozialfall.
Sie bewegte ihre Zehen. Auch wenn der lilafarbene Nagellack nicht zu den gelben Flip-Flops, deren Fußbett mit orange-gelben Sonnenblumen bedruckt war, passte, so gefiel ihr doch beides für sich gesehen, und deshalb war es okay für sie. Sie mochte es bunt. Das Leben war schon trist genug. Ein wenig Farbe machte den Alltag freundlicher. Ihr war egal, was andere dazu sagten.
„Du bist zwar in Oakwood nicht bekannt wie ein bunter Hund, aber du läufst herum wie einer“, hatte Todd sie geneckt, als sie vierzehn gewesen war.
Sie hatte ihn
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