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Die Masken der Wahrheit

Die Masken der Wahrheit

Titel: Die Masken der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Unsworth
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verspürte ich nun, dieses Entgleiten der Seele, was mich um so mehr verwirrte, als mein Körper so eingeengt war – die Maske ließ nur wenig Licht an meine Augen, und nach den Seiten konnte ich überhaupt nichts sehen. Dicht vor mir erblickte ich durch die schmalen Schlitze die verzierte und furchteinflößende Maske des Satans, und ich vernahm die sonderbar fern und hohl klingende Stimme von Tobias, der sein Schicksal und seinen Verlust beklagte.
 »Einst lebt’ ich der Geister Paradies,
     Durch meiner Sünde Fall verlor ich dies.
     Nun Mann und Weib als Gottes Gaben 
    Das ird’sche Paradies zum Wohnen haben.
     Und dennoch will’s mir nicht gelingen,
     Mit List den Menschen Leid zu bringen …« 
    Ich hatte Brendans Lied gelernt, und ich trug es jetzt vor und schüttelte das Tamburin im Takt dazu und sang so lieblich, wie ich nur konnte, um den Teufel zu besänftigen. Zuerst zitterte meine Stimme vor Angst, was einiges Gelächter hervorrief. Doch als ich weitersang, wurde die Stimme fester und kräftiger, und die Angst fiel von mir ab. Wenn Furcht stirbt, wird Wagemut geboren. Ich beendete das Lied, doch statt die Zeilen zu sprechen, die ich gelernt hatte, machte ich das Drei-Finger- Zeichen in Tobias’ Richtung, um diesem zu bedeuten, daß ich meine eigenen Worte sprechen würde.
 »Wenn all die Welt dein eigen wär’,
     Dann wärst du aller Dinge Herr,
     Das Leben wäre dein …« 
    Es war der Narr, der den Teufel – mit der Welt als Preis – in Versuchung brachte; eine Umkehrung der Rollen. Etwas Neues. Tobias, dem einige Augenblicke zum Überlegen geblieben waren, antwortete seinerseits mit eigenen Worten.
 »Wenn all die Welt mein eigen wär’,
     Dann würden alle Weiber hier
     Dem Teufel hörig sein …« 
    Während er diese Worte sprach, machte er die beidhändige Geste des Kopulierens. Statt stehenzubleiben, veranlaßte mich irgendein innerer Antrieb, Tobias zu umkreisen und nun den gelernten Text zu sprechen, wobei ich mich zu erinnern versuchte, welche Bewegungen des Körpers und der Hände dazu geprobt worden waren. Tobias, wenngleich er nicht gewußt hatte, daß ich mich so verhalten würde, gab dem Ganzen einen komischen Anstrich, indem er sein Gesicht mit der gehörnten Maske herumdrehte, um dem Geklingel meiner Schellen zu folgen, nur daß er dabei stets in die falsche Richtung schaute und jedesmal erschreckt tat, wenn meine Stimme von einer anderen Stelle aus ertönte. Das Publikum lachte, und ich stimmte in dieses Gelächter über den Teufel ein und zeigte mit der vorgestreckten Hand auf ihn und stolperte und fiel auf jene Weise, wie man es mich gelehrt hatte, doch stauchte ich mir beim Sturz leicht den linken Ellenbogen, und das Gelächter wurde noch stärker und klang süß in meinen Ohren, das will ich nicht leugnen. Als ich mich so drehte, daß ich ins Licht schaute, war ich für einige Augenblicke benommen und konnte nichts sehen, und das Gelächter hallte in mir nach …

Kapitel sechs
    ch hatte das Gefühl, daß mein erster Auftritt als Schauspieler ein Erfolg gewesen war. Doch später, als ich mit den anderen beisammen saß, ließ ich mir von meinem Hochgefühl nichts anmerken, denn die Stimmung der Gefährten war düster. Wir hatten Margaret die Aufgabe übertragen, am Eingangstor Aufstellung zu nehmen und das Geld zu kassieren. Sie hatte einen Shilling und elf Pence eingenommen; davon hatte der Wirt einen Anteil von drei Pence und drei Viertelpenny eingestrichen. Die Miete für den Schuppen betrug fünf Pence. Überdies war unser triumphaler Einzug in die Stadt zuviel für den Karren gewesen; ein Rad war verbogen und mußte gerichtet werden. Diese Arbeit überstieg Tobias’ handwerkliche Fähigkeiten; er meinte, die Kosten für das Rad würden mindestens drei Pence betragen. Somit blieb uns weniger als ein Shilling in der Kasse, und wir waren sechs Personen und ein Pferd. Und zu Weihnachten rechnete man in Durham fest mit unserem Erscheinen. Es war ein klarer Abend und sehr kalt. Die Pflastersteine im Hof waren bereits von Reif überzogen, der wie Seide glänzte, wo das Licht hinfiel. Martin gab jedem von uns zwei Pence. Springer holte das Kohlenbecken hervor und machte ein Feuer mit dem Holz, das wir auf dem Karren mitgebracht hatten. Straw, in eine Decke gehüllt, kauerte sich dicht neben die Flammen. Tobias trug noch immer das Satansgewand und saß mit dem Hund auf dem Schoß da. Von Brendan redete niemand. Als das Geld verteilt war, machten sich Stephen und

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