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Die Masken der Wahrheit

Die Masken der Wahrheit

Titel: Die Masken der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Unsworth
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leicht. »Ob Geistlicher oder Schauspieler, du wirst mit den anderen mitkommen.« Auf dem Brustteil seines Überwurfs waren der Leopard und die Tauben eingestickt, die auf dem Wappen derer de Guise zu sehen waren. »Die Frau kann hierbleiben. Sie gehört nicht zu den Schauspielern«, sagte er zu seinen Leuten, und ich sah, wie Margaret zur Seite gestoßen wurde.
       »Wohin bringt Ihr uns und mit welchem Recht?« wollte Martin wissen.
       »Ich bin der Verwalter des Barons«, sagte der Mann. Er ließ sich einige Augenblicke Zeit, um uns und die kläglichen Überbleibsel unserer Illusion zu mustern: Straws rotes Kleid, Stephens von Tränenspuren durchzogenes Gesicht. Der Mann lächelte jetzt nicht mehr. »Ihr werdet Gäste der Burg sein«, sagte er. »Meinen Herrn verlangt’s nach Unterhaltung.«

Kapitel dreizehn 
    an ließ Straw ein wenig Zeit, sich umzukleiden, und Stephen, sich die Silberschminke aus dem Gesicht zu waschen. Das Pferd, der Karren und der winselnde Hund wurden an Ort und Stelle zurückgelassen. Wir durften nur unsere Masken und Kostüme mitnehmen, sonst nichts. Die Sachen wurden einem Maultier aufgeladen, und auch wir Schauspieler legten den Weg die Straße hinauf bis zur Burg auf den Rücken von Mulis zurück, wobei unser Zug vorn und hinten eskortiert wurde. Es ging am Kirchhoftor vorüber, wo ich mich am Tag zuvor, als wir Brendan begruben, so sehr gefürchtet hatte. Auch jetzt war wieder Furcht in meinem Herzen, als der Weg uns höher hinauf führte. Das Licht unserer Fackeln färbte den Schnee rötlich, und die Maultiere gerieten an den steileren Stellen immer wieder ins Rutschen.
       Die Zugbrücke war heruntergelassen, und hufeklappernd überquerten wir sie. Dann ging es am Wachthaus vorbei und über den Vorhof mit seinem großen, jetzt verlassenen Brunnenhäuschen, wo Springer und Straw am Morgen dieses Tages gesungen, Kunststücke vollführt und versucht hatten, mehr über den Mord an Thomas Wells herauszufinden.
       Auf der anderen Seite des Vorhofes saßen wir ab und wurden über einen weiteren Hof und dann eine Steintreppe hinauf geführt, die zuerst gerade und später gewunden in die Höhe ging. So gelangten wir schließlich zu der Kammer, die uns als Quartier dienen sollte: ein quadratischer, mit Steinplatten ausgekleideter Raum, dessen Fußboden mit Stroh bedeckt war, aus dem wir unsere Schlaflager bereiten sollten. Der Baron und seine Gäste, wurde uns mitgeteilt, hatten bereits zu Abend gespeist und sich zur Nachtruhe begeben.
       »Man meint es gut mit euch«, sagte der Verwalter und musterte uns mit einem kalten Lächeln. »Euer Zimmer gewährt euch einen schönen Blick hinunter auf die Stechbahn. Morgen werdet ihr einiges von den Tjosten sehen. Bis dahin solltet ihr die Gelegenheit nutzen und mit besonderer Inbrunst zum Gott der Narren und Hanswurste beten.« Das Lächeln auf seinem Gesicht erstarb, und ich wußte, er würde uns nicht verzeihen, daß wir ihn in unser Stück hineingezogen hatten. Überdies erkannte ich, daß er alles tun würde, was sein Herr ihm befahl, und daß er seinen Gehorsam als Tugend betrachtete. »Morgen wird man euch vor Seine Lordschaft führen«, sagte er. »Ihr werdet vor dem edlen Herrn auftreten. Betet zum Allmächtigen, daß dieser Auftritt ihm gefällt. In eurer Truppe ist ja einer, der euch vorbeten kann – er ist für die Rolle gerade recht gekleidet.«
       Mit diesen Worten verließ er uns. Trotz meiner Angst und Sorge versank ich beinahe auf der Stelle in Schlaf, so tief war meine Erschöpfung; und ich glaube, bei den anderen war es ebenso. Doch ich erwachte, bevor der Morgen graute, lag da und starrte in die Dunkelheit, während ich noch einmal die Ereignisse der vergangenen Tage überdachte und wie es gekommen war, daß wir immer tiefer in den Tod des Jungen verstrickt worden waren. Brendans wegen waren wir in diese Stadt gekommen; jedenfalls hatten wir das geglaubt. Ich mußte daran denken, wie Springer uns über den Hügelkamm geführt und uns dann das weite Tal und die Stadt gezeigt hatte, die darin lag. Der emporkräuselnde Rauch von Holzfeuern, der schwingende Klang der Glocken, das Blinken auf den Zinnen der Burg … Es schien so, als hätte die Stadt sich uns als Retter in der Not angeboten. Doch es war der Tod gewesen, der diese Not verursacht und sie durch Brendans Verwesungsgeruch noch verschlimmert hatte. Der Tod hatte uns an diesen Ort geführt. Wer aber hatte uns dann die Worte unseres Stückes eingegeben?

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