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Die Masken des Morpheus

Die Masken des Morpheus

Titel: Die Masken des Morpheus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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    Mira funkelte ihn an und schwieg.
    Arian atmete tief durch. Er wollte sich nicht mit ihr streiten, schon gar nicht jetzt und hier. »Entschuldige, ich …«
    »Pst!«, zischte Tarin über ihnen und winkte sie zu sich herauf.
    Leise erklommen sie die Treppe ins Untergeschoss der Burg. Die Mauern hier waren aus großen Quadern gefügt.
    »Alles in Ordnung?«, erkundigte er sich.
    Mira schnaubte nur.
    »Worum ging’s bei eurem Streit?« Die Frage galt Arian.
    Der zuckte mit den Schultern. »Um Äpfel. Was ist das?« Er deutete in den von einer Öllampe erleuchteten Raum.
    »Der Traubenkeller. Hier lässt meine Mutter ihre Rosinen herstellen.«
    Wie Regale in einer Bibliothek reihten sich darin die hohen Rahmen, in denen fleißige Hände nach der Weinlese die Trauben zum Trocknen aufhängten. Jetzt waren die Gestelle noch leer. Es gab vier Fenster.
    Tarin zeigte auf eine Tür. »Da geht’s in den Burghof.«
    »Das gefällt mir nicht«, hielt Arian ihn zurück. Er wollte sich Miras Verdächtigungen nicht anschließen, doch ihr Argwohn hatte ihn verunsichert. »Da können uns die Wächter deiner Mutter wie Rebhühner abschießen. Gibt es wirklich keinen anderen Weg in ihre Gemächer?«
    »Ich dachte, das hätte ich dir erklärt«, erwiderte Tarin gereizt. »Die Festung ist in den beiden unteren Geschossen in zwei Hälften unterteilt. Meine Mutter wohnt auf der Flussseite. Sollten tatsächlich Angreifer vom gegenüberliegenden Höhenrücken her in die Burg eindringen, müssten sie sich erst bis ins dritte Stockwerk durchkämpfen, um in ihre Zimmerflucht zu gelangen. Bis dahin hätte sie entweder mit Grijpa den Körper getauscht und sich auf ihren Schwingen aus dem Staub gemacht oder sie wäre in einem Geheimgang verschwunden.«
    »Und wenn die Eindringlinge durch den Hof kommen?«, merkte Mira an.
    »Dann werden sie von allen Seiten beschossen.«
    Arian stöhnte. »Das ist ja meine Rede.«
    Tarin schüttelte den Kopf. »Ich habe euch gewarnt. Es gibt keinen leichten Weg zur Herrin von Phobetor. Mit meinem Plan können wir es trotzdem schaffen. Weißt du noch, was du zu tun hast?«
    »Ich bin nicht senil.«
    »Und du kriegst das auch hin?«
    »Je schwieriger die Illusion, desto anstrengender.«
    »Falls wir diese Nacht überleben, kannst du dich tagelang ausruhen. Kommt!« Tarin lief zur Tür, öffnete sie leise und ließ den Gaukler vorbei.
    Im gepflasterten Burghof setzte sich die oktogonale Grundform der gesamten Festungsanlage fort. Der trutzige Turm in der Mitte war ebenfalls achteckig. Reihum brannten Fackeln. Nachdem Arian das Muster der Steinplatten auf dem Boden verinnerlicht hatte, erschuf er ungefähr anderthalb Manneslängen höher ein perfektes Abbild davon. Hier und da ließ er Löcher frei, um etwas Licht hindurchzulassen. Wenn nicht gerade in diesem Augenblick ein Posten auf der Mauer nach unten blickte, würde man den Unterschied zwischen Wahrheit und Illusion nicht erkennen. Arian lauschte. Kein Alarm war zu hören.
    »Fertig«, flüsterte er.
    »Dann los!«, gab Tarin zurück.
    Er schloss die Tür, nachdem seine Freunde den Hof betreten hatten.
    Arian rann der Schweiß in Strömen übers Gesicht, so viel Kraft verlangte ihm das riesige Trugbild ab. Ein leises Ächzen entwich seiner Kehle. Er fühlte, wie die Panik in ihm hochstieg. Hatten die Posten etwas gehört? Tarin und Mira griffen ihm unter die Arme und stützten ihn. Auf Zehenspitzen liefen sie an dem Burgfried vorbei. Jeden Augenblick konnte das Gedankenbild zerreißen und die Bogenschützen würden sie entdecken.
    Endlich erreichten sie die Freitreppe an der Westseite des Hofes. Sie führte hinauf zu einem halbrunden Portal, das ein Figurenfries überspannte. Die Tür war verriegelt. Auch das hatte Tarin vorausgesagt und Vorsorge getroffen.
    »Ich stütze Arian«, flüsterte er.
    Mira hielt ihren Nachschlüssel bereits in der Hand. Es war derselbe Diebeshaken, mit dem sie sich in London Zugang zum Tollhaus verschafft hatte. Im Handumdrehen hatte sie das Schloss geöffnet.
    Tarin grinste. »Alte Schule, was?«
    Sie verzog keine Miene. »Mein Lehrer ist ein Meister seines Faches.«
    Rasch huschten die drei in das Gebäude.
    Arian ließ das Gedankenbild fallen, lehnte sich keuchend gegen eine Wand und sah sich um. Er war überrascht, weil er sich das Innere der Burg genauso schlicht vorgestellt hatte wie das trutzige Äußere. Stattdessen lag hinter der Tür eine prächtige Eingangshalle mit zwei Treppenaufgängen und einer

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