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Die Masken des Morpheus

Die Masken des Morpheus

Titel: Die Masken des Morpheus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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weiter sagen muss.«
    Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen. »Dieses Narbengesicht ist nicht der Sohn von Tobes?«
    »Doch. Jemand hat ihm den Körper gestohlen. Ehrlich gesagt hofften wir, ihn hier zu finden, weil du in dieser Beziehung ja unersättlich bist.«
    »Hüte deine Zunge, Zigor! Du vergisst, mit wem du sprichst.«
    »Ganz im Gegenteil, Mutter. Jede Schandtat fällt irgendwann auf ihren Anstifter zurück. Heute ist für dich der Tag der Abrechnung gekommen.«
    Sie lachte. »Ihr wollt über mich Gericht halten? Wessen klagt ihr mich an?«
    »Schau uns in die Augen. Sie sind Spiegel deiner Untaten. Mira ist eine Waise, Arian hat seine Mutter verloren und ich …« Tarin schluckte.
    »Ich habe deine Schwester nicht umgebracht.«
    »O doch!«, fuhr Tarin sie an. Speichel spritzte ihm aus dem Mund. »Sie war jung und schön – bis du ihr deinen verwelkten Leib übergestülpt hast. Du hast sie in den Tod getrieben. Das ist die Wahrheit.«
    »Die Wahrheit?«, wiederholte Ikela. Sie schüttelte bedächtig den Kopf, den zornigen Blick ihres Sohnes aus trauriger Miene erwidernd. »Grijpa erzählte mir von deinem Vorwurf. Ihr hast du dich anvertraut, anstatt mit deiner Mutter darüber zu reden. Du bist einfach davongelaufen. So konnte ich dir nie erzählen, worum mich deine Schwester gebeten, ja wie sie mich angefleht hat, bevor sie von uns ging.«
    »Sei still!«, zischte er und stemmte den Degen noch fester gegen Ikelas Brust. In seinen Augen glitzerten Tränen, während sich unter ihrem duftigen Nachtgewand ein roter Fleck bildete. »Ich will deine Lügengeschichten nicht hören, Mutter.«
    »Rinella war krank«, sagte sie dennoch. Den Schmerz ertrug sie, ohne eine Miene zu verziehen oder zurückzuweichen. Nur der melancholische Klang ihrer Stimme ließ erahnen, wie bewegt Ikela war. »Nicht ihr Körper litt an dem Übel, sondern ihr Geist. Sie fühlte sich wertlos und versank oft in tiefe Traurigkeit. Du bist in dieser Zeit viel in der Gegend herumgestreift und hast sie selten so trübsinnig erlebt wie ich. Sie hat dich sehr geliebt. Um dir Sorgen zu ersparen, verbarg sie ihre düsteren Stimmungen vor dir. Erinnerst du dich, wie oft wir beide allein zu Tisch saßen, während sie in ihren Gemächern blieb?«
    Tarin zögerte. Er wirkte verunsichert. »Ich dachte, sie sei unpässlich. Die üblichen Frauenleiden.«
    »Es war weit mehr als das. Und es wurde immer schlimmer. Mir war klar, dass Rinella sich nach Erlösung sehnte. Manchmal sagte sie mir, dass es im Todesschlaf kein Leid gebe.«
    »Du meinst, sie hatte sich nach dem Tod gesehnt?« Er schüttelte ungläubig den Kopf.
    »Was sonst hätte ich glauben sollen, Zigor? Ich war verzweifelt, weil mir zweitausend Jahre Lebenserfahrung nicht halfen, mein Kind zu retten. Was fehlte ihr? Melancholie, Manie oder Gehirnfieber? Ich hatte davon bei Hippokrates gelesen. Er glaubte, dass eine ungünstige Mischung der Körpersäfte das Gehirn krankmacht. Also, dachte ich mir, wenn ich Rinella meinen Körper leihe, könnte ich die rapide Verschlimmerung ihres Leidens aufhalten. Sie hat mich sogar dazu ermutigt. Nach dem Tausch ging es ihr tatsächlich besser. Ich machte mich in ihrer stofflichen Hülle auf die Reise nach Paris, um Doktor Philippe Pinel zu konsultieren, einen berühmten Arzt, der sich mit Gebrechen der Seele bestens auskennt. Als ich nach Phobetor zurückkehrte, hörte ich, dass sich deine Schwester vom Lurleberch in den Tod gestürzt hatte. Und du warst auf und davon.«
    »Aber…« Tarins Augenlider flatterten wie Schmetterlingsflügel. Er schüttelte den Kopf. »Ich dachte, du wolltest dich in ihrem Körper …«
    »Was? Verjüngen? Oder gar vergnügen?«, fragte sie mit zitternder Stimme.
    »Ja!«, stieß er hervor. »Du gehst doch über Leichen, wenn es dir nützt. Anders habe ich dich nie kennengelernt.«
    »Wahrscheinlich vermagst du dir nicht mal vorzustellen, wie es ist, sich als Frau in einer Männerwelt zu behaupten. Ich erlaube mir keine Schwächen, weil Morpheus sie sofort gegen mich einsetzen würde. Er stellt mich als Hexe dar, so kann er mir alle Übel dieser Erde anhängen. Offenbar ist auch mein eigener Sohn auf ihn hereingefallen?«
    Arian bemerkte, wie Mira sichtlich aufgewühlt zu Boden blickte. Sie hatte ihm Ikela einmal wie einen Giftpilz beschrieben, der gut aussehe, verführerisch dufte und einem sogar munde, doch dann bringe er einen auf grausame Weise um.
    »Worte!«, schnaubte Tarin, konnte jedoch die Verunsicherung nicht

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