Die Masken des Morpheus
Marádh … ich meine natürlich Morpheus. Ihn hat er sich zum Feind gemacht. Der Fürst beschloss, den eigenen Enkel zu ermorden, und schickte Zoltán und Pan nach Bamberg …«
»Moment! Das sind die Söhne von Mortimer Slay. Er ist mein Urgroßvater.«
Ikela lächelte geheimnisvoll. »Beide sind es.«
»Wie …?« Arian stockte der Atem.
»Ist dir an dem Namen Mortimer nichts aufgefallen?«
Er blinzelte. »Was denn?«
»Es ist ein Wortspiel.«
Er hatte keine Ahnung, wovon sie sprach.
Sie seufzte. »More time – das verbirgt sich darin. Und ›mehr Zeit‹ ist genau das, was Morpheus sich erkauft, wenn er immer wieder den Leib mit jüngeren Menschen tauscht. Am liebsten mit jüngeren Swappern.«
Entgeistert starrte Arian die Vielgesichtige an. »Morpheus und Mortimer Slay sind ein und dieselbe Person?« Er konnte es nicht fassen.
Sie nickte. »Aus abergläubischer Scheu nennen ihn viele nur M. Er ist ein Meister der Täuschung.«
»Aber wer hat dann meinen Körper gestohlen?«
»Das entzieht sich meiner Kenntnis. Nichtsdestotrotz weiß ich mehr über deinen Urgroßvater als sonst jemand. Du bist für ihn mindestens so gefährlich wie einst dein Vater, weil deine Mutter eine Ruhende war. Möglich, dass der Anschlag in Bamberg sogar hauptsächlich dir gegolten hat. Der Tausch, der dich den Körper kostete, dürfte aus der Sicht von Morpheus Glück im Unglück gewesen sein: Als er sich mit dir verschmelzen wollte, hast du ihn unbewusst abgewehrt, wodurch er allein in deiner Hülle zurückblieb.«
Arian erinnerte sich an seine letzten beiden Swaps auf Ivoria. Da war es tatsächlich so gewesen, dass er den Metasomenfürsten gleichsam von sich gestoßen hatte. Allerdings… »Eure Erklärung klingt einleuchtend. Vordergründig. Nur kann ich mir nicht vorstellen, dass mein Vater mich belogen hat. Er nannte Euren Namen, als er von der Verschwörung gegen die Freien sprach.«
Auf ihrer Stirn bildete sich eine steile Falte. »Tobes? Warst du etwa im Elfenbeinpalast?«
»Ja, vor zwei Wochen. Habt Ihr gewusst, dass er sich dort von seinen Verletzungen erholt?«
»Nostradamus sagte mir, er habe Tobes oder jemanden, der ihm sehr ähnelte, im Kerker von Ivoria gesehen. Er hatte den Gefangenen im Halbdunkel der Zelle nicht richtig erkennen können. Bist du sicher, mit deinem Vater gesprochen zu haben?«
Arian schluckte. »Ich wurde kurz nach der Geburt von meinen Eltern getrennt. Alles, was mir von ihm blieb, war ein kleines Bild in einer Taschenuhr. Der Mann sah genauso aus.«
Mit einem Mal wich die kühle Distanz, mit der ihm Ikela bis dahin begegnet war. »Das Äußere könnte durchaus dein Vater gewesen sein«, erklärte sie voller Mitgefühl, »nur der Inhalt nicht. Hast du schon von Xix gehört? Er ist der neunzehnte und zugleich älteste Leibdiener des Fürsten, sein Mädchen für alles, wenn man so will. Er tauscht die Körper wie einst die französischen Könige ihre Mätressen.«
Arian fiel es wie Schuppen von den Augen. Er nickte. »Sein Faktotum. Der Kerl war zur gleichen Zeit in Ivoria wie wir.«
»Diese Geschichte trägt seine Handschrift. Xix ist fast so durchtrieben wie ich. Möglicherweise war der Mann, den du für deinen Vater gehalten hast, nur ein Doppelgänger, und Xix hat ihn wie eine Verkleidung benutzt, um dich gegen mich aufzuhetzen. Solche Spielchen treibt Morpheus schon seit viertausend Jahren mit den Menschen, anfangs als Marádh, zuletzt als Mortimer oder Monsieur M.«
»Es könnte aber auch mein richtiger Vater gewesen sein«, grübelte Arian. Der Gedanke an den gemeinen Betrug machte ihn schwindelig.
»Vielleicht. Ich kann dir nur raten, nach Ivoria zurückzukehren, falls du deinen Körper wiederhaben willst. Fang am besten im Kerker mit der Suche an. Dort gibt es eine geheizte, blitzsaubere Flucht, die ›Garderobe‹, wie sie die Dienerschaft nennt. Morpheus bewahrt in den Zellen seine Wechselkörper auf – Menschen, Tiere, er hält sich immer einen ganzen Vorrat.«
Arian hob zu einer Antwort an, zögerte dann aber. Er hatte mittlerweile so viele Versionen seiner Geschichte gehört! War es diesmal die richtige?
Trotzig reckte Mira das Kinn. »Ihr könnt recht überzeugend sein, Dame Ikela, doch woher wissen wir, dass Eure Worte kein Lügengespinst sind? Habt Ihr auch Beweise?«
»Lass gut sein«, sagte Arian beschwichtigend.
Plötzlich streckte Ikela den Arm aus und berührte mit den Fingerspitzen seine Wange.
Ehe er zu reagieren vermochte, spürte er auch schon das
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