Die Masken des Morpheus
vertraute Ziehen. Seine Ohren rauschten und in seinen Augen schienen Feuerwerkskörper zu explodieren. Instinktiv ging er auf Abwehr und stemmte seinen Geist gegen den der Seelendiebin an. Aber dann schwächten sich die lästigen Nebenwirkungen bereits wieder ab, so als habe sie es ihm so leicht wie möglich machen wollen. Bei seinem Urgroßvater war der Swap erheblich unangenehmer verlaufen.
»Arian?«, fragte Mira und sah dabei die Herrin von Phobetor an.
Er lächelte säuerlich. »Ariana passt jetzt wohl besser: Wir haben die Plätze gewechselt.«
»Nur für einen Moment«, sagte Ikela und betrachtete lächelnd den Stockdegen, den sie beim Wechsel in Turtlenecks Körper in ihre Gewalt gebracht hatte. Ihr Blick wechselte zu Arian. »Wenn zwei Seelen sich berühren, bleibt vom anderen stets etwas zurück. Bei dir, dem Sohn der Blockerin Salome, spüre ich das stärker als je zuvor. Sage also deinen Freunden, ob du in meiner stofflichen Hülle den Nachhall von Falschheit oder Hass findest.«
Arian zögerte. Tatsächlich fühlte er nichts dergleichen, doch auch bei dem Metasomenfürsten hatte er keine Arglist bemerkt. Womöglich würden ihre Seelenechos sich erst später bemerkbar machen und ihn mit dunklen Gefühlen geißeln.
Während er noch mit sich rang, riss die Seelendiebin plötzlich die Augen auf. »Eine Falle. Ihr habt Morpheus’ Schergen nach Phobetor geführt.«
Tarin hielt den Körpertausch wohl für eine List und schwenkte seinen Degen herum, um einen vermeintlichen Angriff seiner Mutter abzuwehren.
Im selben Moment wurde jäh der Vorhang zum Schlafgemach zur Seite gefegt. Palastwachen mit Schwertern, Lanzen und Lampen stürmten in den Raum. Was sie sahen, musste sie irritieren: die Herrin und drei Fremde, darunter zwei bewaffnete Männer, von denen einer den anderen bedrohte.
»Der Greif ist tot«, rief ein aufgeregter Soldat. »Die Patrouille fand ihn mit aufgerissener Kehle in …«
»Uns muss jemand gefolgt sein«, stieß Tarin hervor.
Ein Heulen hallte durch den Palast.
Ikela horchte auf. »War das ein Wolf?«
Ein weiterer Gardist stürzte ins Schlafgemach. »Hunde!«, keuchte er. »Dutzende großer Bestien greifen uns an.«
»Die Bluthunde des Morpheus«, sagte Ikela mit starrem Blick. »Er hat mir einmal mit ihnen gedroht. Ihre Nasen könnten selbst Phobetor finden, behauptete er. Es sind in Wahrheit Menschen, die sein Sohn Pan in blutrünstige Ungeheuer verwandelt hat.«
Tarin lief zum Kamin. »Ich lösche die Glut, damit wir die Geheimtür öffnen können.«
»Gib dir keine Mühe!«, erklärte sie ruhig. »Morpheus überlässt nichts dem Zufall. Wir würden draußen nur seinen Jägern in die Fänge geraten. Unsere einzige Chance ist der Schutzturm im Hof.«
»Nehmt zuerst Euren Körper zurück«, bat Arian.
Sie schüttelte den Kopf. »So kurz hintereinander geht das nicht. Du wirst noch eine Weile warten müssen.«
»Dann auf in den Bergfried!«, drängte Tarin und eilte mit gezückter Klinge voran.
Ikela raffte ein Negligé von einer Stuhllehne und reichte es Arian. »Hier, damit du mir nicht eine Erkältung einfängst. Die Nacht ist kühl.«
Während er nach dem Morgenmantel griff, bemerkte er einen Schatten hinter dem Bett und erstarrte. Ein Leibwächter beleuchtete mit seiner Lampe den Stockknauf in Ikelas Hand und warf die Silhouette einer Mohnkapsel an die Wand.
Ihre Augen folgten Arians Blick. »Das Symbol des Morpheus«, hauchte sie. Blitzschnell hob sie den Stockdegen und richtete ihn auf seine Brust. »Ich hätte nie geglaubt, es jemals in meiner eigenen Festung zu sehen. Wer bist du wirklich?«
»Er ist mein Freund«, sagte Tarin.
Sie sah ihn nur aus den Augenwinkeln an. »Vielleicht hat er die Bluthunde hergeführt. Ich sollte ihn auf der Stelle töten – nur zur Sicherheit.«
»Wie könnte ich dir dann noch glauben, dass du nicht auch meine Schwester auf dem Gewissen hast, Mutter? Wenn du ihm nur ein Haar krümmst, werde ich dich für immer verlassen. Arian kann dir alles erklären. Nur nicht jetzt. Wir müssen uns beeilen.«
»Sagt er die Wahrheit?«, fragte sie Arian.
Er nickte.
Sie ließ den Degen sinken. »Na schön. Vertagen wir das auf später. Die Bestien gehen vor.«
Arian schlüpfte in die Ärmel des Morgenmantels, während die Palastwache ihn, die Burgherrin und Mira in die angrenzenden Zimmerfluchten führte. In der Bibliothek sprang plötzlich ein riesiger Bluthund zornig knurrend aus den Halbschatten. Die Soldaten griffen zu den Schwertern.
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