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Die Masken des Morpheus

Die Masken des Morpheus

Titel: Die Masken des Morpheus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Kopf.
    »Bist du schwindelfrei?«, fragte Tarin.
    »Ich bin Seiltänzer«, antwortete Arian gereizt.
    »Oh? Hatte ich vergessen. Wie praktisch.«
    »Wo ist die Stelle, die du mir beschrieben hast?«
    »Da drüben.« Tarin deutete nach Süden.
    »Dann nichts wie los. Die Hunde werden uns jeden Moment finden.«
    Mehr kletternd als laufend erreichten sie auf einem schmalen Grat einen Vorsprung, der weit aus dem Fels herausragte. In Tarins Augen glitzerten Tränen, als er sich zu Arian umdrehte. »Da ist es. Hier hat sich meine Schwester in den Tod gestürzt. Ich nehme an, sie wollte sichergehen, dass sie tief genug fällt.«
    Arian strich sich die flatternden Haare aus dem Gesicht. Die Stelle war ideal für seinen Plan. Er deutete zu einigen Spalten etwas weiter südlich. »Versteck dich da irgendwo. Präge dir den Weg genau ein. Er wird gleich sein Aussehen verändern. Falls nötig, kommst du mir zu Hilfe. Du musst durch die Luft laufen.«
    »Was?«
    »Nur scheinbar. Es ist nur eine Illusion.«

    Boss verspürte ein Hochgefühl, als er der Fährte nach draußen folgte. Seine animalischen Instinkte gierten nach dem Blut der Herrin von Phobetor. Als Vierbeiner waren er und sein kleines Rudel ihr auf dem Berg überlegen. Er würde sie jagen und töten, um Monsieur M. den Preis für seine Freiheit zu zahlen. Schon um seiner gefallenen Kameraden willen musste diese Hexe sterben. Danach würden sie die Bastarde von Tobes und Baladur zerreißen.
    Er drehte sich zu seiner Meute um, fünf starke Rüden, allen voran der schwarze Rouven, dahinter Laurens, Jan, Pieter, Gerard. Selbst in ihren Hundegesichtern konnte er ihre Entschlossenheit sehen.
    Als er sich wieder umwandte, entdeckte er die Frau. In ihrer Hand blitzte die schmale Degenklinge, mit der sie Willem getötet hatte. Sie stand auf einem überhängenden Plateau, das sich hoch über dem Fluss befand, leicht zu betreten und unmöglich zu verlassen, ohne sich den Verfolgern zu stellen. Hinter ihr gähnte der Abgrund. Sie kam nicht weiter, die Hexe. Ja, das musste sie wirklich sein – zweitausend Jahre alt und so zart und schön wie eine Jungfrau, die erst den Mädchenjahren entwachsen war. Ihre schwarzen Haare flatterten im Wind. Das hauchzarte Seidengewand klebte ihr am Leib. Er bedauerte fast, diesen vollkommenen Körper zerstören zu müssen.
    Abermals drehte er sich zu seinen Gefährten um. Nach all der Zeit in Hundeleibern hatten sie gelernt, sich auf hündische Art beinahe ebenso wortreich zu verständigen wie früher in der Truppe. »Nehmt euch vor ihr in Acht«, bellte er. »Sie darf uns nicht entkommen. Erst umzingeln wir sie. Auf mein Kommando stürmen wir gleichzeitig das Plateau.«
    Auf dem schmalen Grat erreichten die sechs Hundekrieger den Felstisch, der wie ein Schwalbennest an der steilen Wand hing. Sie reihten sich davor auf, um Ikela den Weg abzuschneiden. Boss nahm den Platz ihr gegenüber ein.
    »Bleibt mir vom Leib ihr Bestien«, drohte sie mit schriller Stimme und fuchtelte wild mit ihrem Degen herum.
    Boss knurrte. Er überlegte, wie sich die Hexe von der Klippe stoßen ließ, ohne dabei in ihrem Körper zu landen. Vielleicht würde er einen weiteren seiner Männer opfern müssen. Wenn er sie jedoch von der Kante weglocken könnte …
    »Rührt euch nicht von der Stelle, bis ich es euch befehle«, bellte er den Kameraden zu. Dann wagte er einen Scheinangriff.
    Mit lautem Gebell lief er drei, vier kurze Schritte auf sie zu. Er wunderte sich, weil der Fels unter seinen Pfoten ebener aussah, als er sich anfühlte. Wie auch immer, sein schneller Vorstoß zeigte Wirkung. Wie eine Fechterin auf der Planche tänzelte Ikela ihm in mustergültiger Haltung entgegen. Damit war sie für die anderen Hundekrieger gefahrlos erreichbar. Um ihrer tödlichen Klinge auszuweichen, zog sich Boss zurück und bellte: »Jetzt!«
    Von links hörte er ein entsetztes Jaulen. Er warf den Kopf herum und sah Gerards Haupt im Boden verschwinden. Jan und Pieter sackten ebenfalls weg, als gäbe es unter ihren Pfoten nur Luft. Ihre Schreie entfernten sich rasch. Fassungslos blickte Boss nach rechts. Auch Rouven und Laurens waren verschwunden. Wie hatte die Hexe das angestellt?
    »Nun sind nur noch wir übrig«, sagte sie. Drohend kreiste ihr Degen.
    Boss knurrte. Er fürchtete, der Nächste zu sein, den der Fels verschluckte. Sollte er umkehren und fliehen? Nein, lieber ehrenvoll sterben als weiter dieses elende Hundeleben fristen.
    Er senkte den Kopf und fixierte Ikela, so als

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