Die Masken des Morpheus
Drang zu fliehen.
»Kein Grund hysterisch zu werden. Tatzelwürmer sind streng genommen nur Halbdrachen.«
Arian japste. »Sag mir lieber, was ich machen soll?«
»Befiel ihm stehen zu bleiben. Und lass dir keine Angst anmerken.«
Fast hätte Arian laut gelacht.
Der Bergstutzen hatte einen schwarzgrünen, geschuppten Schlangenleib, kurze, krumme Beine und enorme Klauen. Seine Körperlänge ließ sich nur schätzen, zwanzig Schritte mochte er schon messen.
Arian drückte das Kreuz durch und hob gebieterisch die Hand. »Bleib stehen!« Seine Knie schlackerten so heftig, dass er meinte, sie klappern zu hören.
Gila gehorchte.
»Ich glaube, du hast etwas, das mir gehört«, erklärte Arian mit bebender Stimme.
Wieder dieser Tubalaut. Irgendwie klang er leidend. Unterwürfig? Der Tatzelwurm legte den Kopf auf den Boden und sah seine vermeintliche Herrin mitleidheischend an.
»Du weißt also, von wem ich spreche«, sagte Arian ungerührt. »Sind das Mädchen und der Mann …« Er fuhr erschrocken zurück, weil der Wurm giftig fauchte. »Was erlaubst du dir, Gila! Siehst du nicht, wer vor dir steht?«
Der Bergstutzen versuchte sich noch kleiner zu machen, ein Unterfangen von bescheidenem Erfolg.
»Zeig ihm, dass du ihm verzeihst«, flüsterte es hinter ihm.
Arian glaubte sich verhört zu haben. Er drehte sich zu dem Souffleur um.
Tarin deutete auf den Stollenwurm. »Kraulst du nicht die Katze, spürst du bald die Tatze.«
»Das darf alles nicht wahr sein«, stöhnte Arian und wandte sich wieder dem Halbdrachen zu. Mit wachsweichen Knien näherte er sich dem gewaltigen Haupt, streckte den Arm aus und legte seine Hand zwischen die Riesenaugen. Die Schuppen dort waren sehr fein und glatt, fast fühlten sie sich wie Fell an. Während er den Tatzelwurm streichelte, schlug er einen versöhnlichen Ton an. »Braves Kätzchen.«
Gila fing an zu schnurren.
»Ich muss mich bei dir bedanken, mein kleiner Liebling«, säuselte Arian. »Du hast die Hunde gefressen, die mir wehtun wollten. Ich bin stolz auf dich.«
Der Stollenwurm schnurrte lauter.
»Trag nicht zu dick auf«, empfahl die Stimme aus dem Hintergrund.
Arian räusperte sich. Nach Zuckerbrot die Peitsche. »Aber nun musst du mir mein Eigentum zurückgeben.«
Das Schnurren verstummte.
Er zwang sich weiterzukraulen. »Wenn du es nicht tust, bist du nicht mehr mein lieber Tatzelwurm.«
Gila ließ einen Laut vernehmen, der zwischen Quietschen und Posaunen lag. Er zog sich zurück. Sein Haupt tauchte ins Dunkel, nur die großen Augen leuchteten noch wie zwei gelbe Laternen.
»Worauf wartest du? Hinterher!«, raunte Tarin.
Mit erhobener Lampe folgte Arian dem Wurm.
Nach ungefähr dreißig Schritten weitete sich der Tunnel zu einer Höhle, in der es erbärmlich stank. Überall lag Geröll herum.
»Dass du dich hier wohlfühlst«, stöhnte Arian kopfschüttelnd.
Der Tatzelwurm legte wieder den Kopf auf den Boden, sah ihn mit seinem mitleidheischenden Blick an und posaunte etwas in Bergstutz.
»Spann meine Geduld nicht auf die Folter«, erwiderte Arian streng. »Wo – sind – die – zwei?«
Der Halbdrache wandte sich nach links und kratzte lustlos in den herumliegenden Felsbrocken herum. Der Geröllhaufen rutschte in sich zusammen und gab eine Öffnung frei. Auf Arians Drängen hin erweiterte Gila brummend das Loch. Dann langte er mit seiner Vorderklaue hinein. Ein Schrei war zu hören, der weniger gequält als zornig klang. Als die Tatzelwurmtatze wieder zum Vorschein kam, hing an den gebogenen Krallen der schwarze Frackkragen aus Ivoria mit allem, was dazugehörte: Turtlenecks Leib, der Herrin von Phobetor und einer geballten Ladung Zorn.
»Lass mich los, du Grobian«, zischte Ikela.
Gila zog die Krallen ein und das zappelnde Beutestück fiel zu Boden.
Arian atmete erleichtert auf. »Braves Kätzchen!«
»Was?«, ereiferte sich Ikela. »Dieser alte Griesgram hat es gewagt, mich zu betäuben. Meine Kräfte sind immer noch wie gelähmt, sonst hätte ich längst die Steine verflüssigt und …«
Gila schnitt ihr mit einem gefährlichen Fauchen das Wort ab.
»Besser, Ihr tretet hinter mich«, empfahl Arian der Burgherrin.
Ikela stapfte, leise vor sich hinschimpfend, weg von dem Wurm. Tarin nahm seine Mutter in Empfang.
Der Bergstutzen schickte sich an, seinen riesigen Leib in einen benachbarten Tunnel zu schieben.
»Halt!«, rief Arian.
Gila schien zu versteinern.
»Hast du nicht etwas vergessen?«
Wieder der leidende Blick.
»Gib mir das
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