Die Masken des Morpheus
Mädchen.«
Ein fragender Tubalaut.
»Er lügt!«, raunte Ikela.
»Sofort, Gila!«, verlangte Arian.
Missmutig wandte sich der Tatzelwurm dem Geröllhaufen zu und kratzte erneut darin herum. Nach einer Weile hielt er inne und trompetete etwas, das wohl »Da ist nichts!« heißen sollte.
»Ich lasse mich nicht für dumm verkaufen«, beharrte Arian.
Gila stöhnte, was sich ungefähr wie ein verschnupftes Alphorn anhörte, und machte weiter. Bald hatte er eine Schneise freigeräumt, durch die im schwachen Laternenlicht eine Gestalt zu sehen war. Sie lag bäuchlings auf dem Boden und stemmte gerade den Oberkörper hoch.
»Mira!«, stieß Arian hervor und lief mit seiner Lampe in die Kammer. Behutsam half er dem Mädchen sich aufzusetzen, sorgsam jeden Hautkontakt meidend. »Geht es dir gut?«
Sie wirkte orientierungslos. »Ich glaube ja. Die Steinkatze hat erst die Herrin der Burg und dann mich angehaucht. Da wurde mir schwarz vor Augen. Dabei hatte Ikela mich gewarnt. Ich dachte, sie übertreibt, als sie meinte, Gilas Zähne seien so giftig, dass einen schon sein Atem ins Reich der Träume schickt.«
Er half ihr auf die Beine und führte sie aus der Höhle.
Der Halbdrache empfing das Mädchen mit leidendem Blick.
»Ich weiß, Gila«, sagte Arian mitfühlend. »Dieses Juwel wollen viele besitzen. Aber ich kann es dir nicht lassen. Mira gehört mir.«
Wie eine Feindin zur Verbündeten wird
und mit Arian einen Plan gegen Morpheus schmiedet.
Landgrafschaft Hessen-Cassel, 29. Juni 1793
Überall flitzten Zwerge herum, deren vorrangige Aufgabe offenbar darin bestand, freie Stellen auf der Tafel sofort wieder mit neuen Platten und Schüsseln voller Köstlichkeiten zu verdecken. Noch nie hatte Arian so opulent gefrühstückt. Ikela ließ zu Ehren ihrer Gäste das Beste auftafeln, was ihre Küche zu bieten hatte. Man speiste in einem behaglichen, ganz mit rotem Kirschbaum getäfelten Esszimmer. Durch zwei kleine Fenster war weit unten der Rhein zu sehen. Arian saß neben Mira, Mutter und Sohn auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches.
Ikela hatte, nachdem sie in der vergangenen Nacht außer Sichtweite des Stollenwurms waren, wieder den Leib ihrer Tochter beansprucht – so wurde aus Ariana erneut Arian. Ihm war das nur recht. Turtlenecks Hülle hatte zwar ihre Macken, doch fühlte er sich darin allemal wohler als im Körper einer betörend schönen Frau. Und weil der Überfall der Bluthunde allen in den Knochen steckte, waren sie auf Geheiß der Herrin von Phobetor gleich zu Bett gegangen.
Obwohl Arian in den letzten drei Wochen meist auf Waldböden, Strohmatratzen und in überfüllten Schiffshäusern geschlafen hatte, fand er unter dem Daunenbett nur wenig Ruhe. Er schwitzte und warf sich unruhig hin und her. Sein Herz klopfte, als stehe er noch auf der Klippe dem lohfarbenen Riesen gegenüber, der ihn beinahe mit sich in die Tiefe gerissen hätte. Erst in der Morgendämmerung hatte ihn endlich der Schlaf übermannt.
Inzwischen war es fast elf. Beim reichhaltigen Frühstücksmahl ließ Ikela sich Arians und Miras Geschichte erzählen. Immer wieder wanderte ihr Blick zu Tarin, dessen Heimkehr sie offenkundig mehr berührte als die Schrecken der vergangenen Nacht. Ihm war anzumerken, dass er ihr nach wie vor nicht rückhaltlos traute, eine Haltung, die Arian mit ihm teilte.
Während Mutter und Sohn miteinander sprachen, stieß Mira mit dem Ellenbogen ihren Sitznachbarn an und flüsterte: »Wie hattest du das heute Nacht gemeint?«
Arian sah sie fragend an. Der Schmied von Phobetor hatte ihm eine Augenklappe geschenkt, die das beunruhigende Bild des falkenköpfigen Mädchens auf ein erträgliches Maß dämpfte. Verständnislos schüttelte er den Kopf. »Was?«
Sie verdrehte die Augen. »Als du mich mit einem Juwel verglichen hast, das viele besitzen wollen, das du dem Tatzelwurm aber nicht lassen könntest. ›Mira gehört mir‹, hast du gesagt. War das … dein Ernst?«
Ihm schoss die Schamesröte ins Gesicht. »Ich … äh … musste auf mein Recht als Herrin von Phobetor pochen, sonst hätte er dich nie freigegeben.«
Ein Anflug von Enttäuschung huschte über Miras Antlitz. Sie öffnete zu einer Erwiderung den Mund, doch Ikela kam ihr zuvor.
»Das hast du sehr überzeugend hinbekommen, Arian. Gila hat dich tatsächlich für mich gehalten.«
Er riss sich von Miras grünen Augen los, die seine Seele zu durchleuchten schienen, und sah die Burgherrin an. »Als
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