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Die Masken des Morpheus

Die Masken des Morpheus

Titel: Die Masken des Morpheus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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zögerte.
    »Und?«
    »Mein Urgroßvater hockt mir wie ein Alb auf der Brust und raubt mir den Atem. Als wir von London aufbrachen, dachte ich nur daran, meinen Körper zurückzubekommen und den Mordanschlag auf meine Eltern aufzuklären. Jetzt ist da noch so viel mehr. Ich habe gesehen, dass Menschen mit edlen Zielen zu Ungeheuern werden, und offenbar facht Morpheus dieses gefährliche Feuer an. Ich weiß nicht, warum er das tut, aber ich denke, wir sollten ihm Einhalt gebieten. Vielleicht heilt sich dein Land dann von selbst.«
    Mira lief plötzlich auf ihn zu, stellte sich auf die Zehenspitzen und fiel ihm um den Hals. Dabei legte sie ihre Hand in seinen Nacken, um einen unfreiwilligen Körpertausch zu vermeiden. Während ihre Wange an der seinen lag, fing sie an zu schluchzen.
    »Geht es dir gut?«, fragte er besorgt. Er wünschte, sie könnten ewig so dastehen.
    »Ja«, schniefte sie und sah ihm ins Gesicht. »Dafür, dass du mich endlich verstehst, muss ich dich einfach drücken.«
    Er spürte, wie sein Herz ihm bis zum Halse schlug. »Aber ich bin so hässlich, Mira.«
    »Stimmt allerdings.« Sie lehnte ihren Kopf erneut an seine Wange. »Das ist der andere Grund, weshalb ich dich umarme. Wenn wir uns so nahe sind, fällt das gar nicht auf.«
    »Dann sind wir also wieder Freunde?«
    »Wieso wieder?«
    »Ich dachte, du seist mir noch böse wegen unserer Meinungsverschiedenheit in Phobetor. Weil ich morgen das Versöhnungsgeschenk für Morpheus spielen soll. Ich weiß, wie wenig du davon hältst. Es ist gefährlich. Vielleicht werden wir nie mehr so wie jetzt …«
    Ihr Mund versiegelte jäh seine Lippen. Ihm wurde heiß, und er meinte in den Himmel davonfliegen zu müssen, würde sie ihn plötzlich loslassen. Diese Liebkosung war enger als die gemeinsame Zeit in Hooters Körper, überraschender als ihr erster Kuss im Wald bei Saint-Amand und leidenschaftlicher als alles, was er je erlebt hatte. Er spürte ihren Hunger nach Geborgenheit, ihre Sorge um ihn und … ihre Liebe?
    Ehe er darüber Gewissheit erlangen konnte, löste sie sich von ihm, blickte mit einem traurigen Lächeln zu Boden und sagte: »Jeder von uns muss tun, was er für richtig hält.«

Wie Arian und Ikela dem Metasomenfürsten eine Falle stellen
und wie dann doch alles ganz anders kommt.
      
      
      
    Paris, 13. Juli 1793
      
    Die Schritte der zwanzigköpfigen Eskorte hallten wie Gewehrschüsse durch den geheimen Gang unter der Salle de la Porte Saint-Martin . Der Tunnel war niedrig, nur etwa anderthalb Manneslängen breit, und roch nach dem Rauch der Fackeln, die an den Wänden brannten. In den Räumen darüber herrschte noch morgendliche Stille. Bald würden die Sänger und Tänzer der Pariser Oper sie bevölkern und für die Samstagabendvorstellung proben. Bis dahin sollte das unterirdische Schauspiel der Metasomen längst vorüber sein.
    Der Ablauf folge einem jahrhundertealten Reglement, das wie viele Traditionen sehr streng und nicht ohne Widersprüche sei, hatte Ikela bei ihrem letzten Kriegsrat am Vorabend erklärt. Es verlange – ein fast schon revolutionärer Gedanke – die Gleichheit aller Teilnehmer. Zweck des Ganzen sei es, zerstrittene Parteien an einem neutralen Ort einander wieder näher zu bringen. Auf friedlichem Weg.
    Trotzdem seien Waffen nicht nur gestattet, sondern sogar Pflicht, eine Regel, die in überkommenen Vorstellungen von Ehre und Ritterlichkeit wurzelte. Die Anwesenden mussten Schwerter und Dolche tragen, welche mit blauen Wollfäden an der Scheide befestigt waren – Blau galt seit alters als Farbe des Friedens. In neuerer Zeit duldete man selbst Feuerwaffen, wobei jeder Person nur eine einzige Kugel zugestanden wurde. Der Tempel war den Metasomen heilig. Kein Blut durfte darin vergossen werden. Nicht einmal Morddrohungen wurden den Streitenden zugebilligt.
    Den ersten Bruch mit der ehernen Tradition stellte der kräftig gebaute Gefangene dar, den Ikelas Leibwächter zum Allerheiligsten führten. Der gefesselte und geknebelte Mann war unbewaffnet, unvermummt und auch sonst völlig unvorschriftsmäßig gekleidet. Nach altem Brauch trug nämlich jeder in der Eskorte einen Dreispitz, einen schwarzen Umhang und eine weiße Maske mit einer langen Nase. Nur eben das Narbengesicht nicht. Er hatte ein rotes Glasauge.
    Ikela verbarg ihr Gesicht ebenfalls unter einer Larve. Ihre Haare hatte sie hochgesteckt und sich wie die anderen einen Nebelspalter aufgesetzt, womit sie kaum als Frau zu erkennen war. Mit ihrem

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