Die Masken des Morpheus
nützlich für mich.«
»Mir kommen gleich die Tränen. Aber du hast ja noch deine Wölfe.«
»Warum bist du gekommen, Ikela? Wozu diese Verstellung?«
»Um die Feindschaft zwischen uns zu beenden.«
»Dann ist das Angebot in deinem Brief ernst gemeint? Du willst mir meinen Urenkel tatsächlich ausliefern?«
»Dazu habe ich ihn hergebracht. Er gehört dir – sofern wir uns einig werden.«
Morpheus’ Blick wechselte zu dem Gefesselten. Ein selbstgefälliges Lächeln umspielte seine Lippen. Als er das Wort an ihn richtete, hörte es sich an, als spräche wieder der ominöse Mister M. zu dem jungen Seiltänzer auf Dean’s Yard. »Sie enttäuschen mich, Master Pratt. Von einem, der den Großmeister der Puppenspielergilde besiegte, hätte ich offengestanden mehr erwartet.« Meinte er den Plan, Phobetor zu finden und Ikela unschädlich zu machen? Ehe sich Arian darüber klar werden konnte, winkte der Fürst zwei seiner Leibwächter herbei. »Schafft ihn mir aus den Augen. Das Narbengesicht braucht nicht zu hören, was wir hier besprechen. Seine Anwesenheit im Tempel verletzt alles, was uns heilig ist.«
»Meine Männer gehen mit«, sagte Ikela. Ihr Mund zog sich in die Breite. »Nur, damit keine Seite im Vorteil ist.«
Morpheus funkelte sie an. Mit einer unwirschen Geste bedeutete er den Maskierten den Raum zu verlassen und wies sie an, im Vorraum zu warten. Nostradamus blieb als Einziger zwischen den beiden Stuhlreihen zurück.
Die vierköpfige Eskorte führte den Gefangenen aus dem Saal. Als sich die Türen hinter ihnen schlossen, nickte der Metasomenfürst zufrieden. »Jetzt sind wir unter uns.«
Er ahnte nicht, dass sein Urenkel ihm genau in die Augen sah.
Der in Reims entführte Kommissar war mit seinem Wechsel vom Hundekörper in den des Verbrecherkönigs Turtleneck vom Regen in die Traufe gekommen. Das Versöhnungsgeschenk sei nur eine Camouflage, eine Tarnung zur Verwirrung des Fürsten, hatte Ikela ihre List erläutert. Die Rolle der Geisel sei dem Schnüffler des Wohlfahrtsausschusses wie auf den Leib geschneidert. Angstvolle Blicke, erstickte Schreie aus dem geknebelten Mund und das Aufbäumen gegen die Fesseln steigerten noch die Glaubhaftigkeit seiner Darstellung.
Arian empfand wenig Mitleid für die Schergen der neuen Tugendwächter, die skrupellos so viele Unschuldige aufs Schafott schickten. Als Sekundant von Ikela stand er weiter an ihrer Seite. Die Herrin von Phobetor hatte ihm die Aufgabe zugedacht, Morpheus zu packen und aus dem Tempel fortzuschaffen, während sie sich um dessen Leibwächter kümmerte. Gegen ihn, den Sohn einer Blockerin, könne der Metasomenfürst kaum etwas ausrichten, hatte sie erklärt.
»Was gedenkst du mit deinem Urenkel zu tun?«, fragte sie Morpheus nun, da sie vermeintlich unter sich waren.
»Ich werde ihm ein paar Fragen stellen und mich danach mit ihm verschmelzen. So lösche ich das Vermächtnis von Tobes aus und sein Aufruhr findet ein unrühmliches, für alle Rebellen hoffentlich abschreckendes Ende. Die Hülle seines Sohnes werde ich noch für einige Jahre tragen, zur Erinnerung an meinen großen Triumph. Es wäre doch Verschwendung, so einen gesunden, kraftstrotzenden Körper einfach wegzuwerfen. Ich vermute, du hast Arian verraten, wer ich bin?«
Sie schmunzelte. »Das Vergnügen habe ich mir nicht nehmen lassen. Du hättest sein Gesicht sehen sollen. Er dachte, Zoltán und Pan hätten den Anschlag auf seine Eltern ausgeheckt.«
»Ach was! Sie waren nur Handlanger. Die Planung und Ausführung habe ich meinem treuen und genialen Faktotum Xix anvertraut«, er deutete auf den dicken Sekundanten zu seiner Rechten. »Mein Jüngster war ja damals noch ein Knabe. Er hat Xix in einen Löwen verwandelt. Zoltán war dazu nicht entschlossen genug, weil er wusste, dass Tobes ein Tauscher ist.«
Ikelas Augenbrauen hoben sich. »Sagtest du gerade ›ist‹? Dann stimmt also, was Arian mir bei dem Verhör gesagt hat? Sein Vater lebt?«
Ein säuerliches Lächeln kräuselte seine Lippen. »Du bist immer noch dieselbe listige Schlange wie eh und je. Es ist genau so gewesen, wie Xix es Arian auf Ivoria erzählt hat. Mit einer Ausnahme: Mein Enkel hat seine Erinnerung bis heute nicht zurückerlangt. Er sieht in mir seinen Retter. Deshalb habe ich vorerst darauf verzichtet, mich mit Tobes zu verschmelzen. Ich halte ihn mir im Elfenbeinpalast wie einen Vogel in einem goldenen Käfig. Vielleicht, dachte ich, könnte er mir ja eines Tages nützlich sein.«
»Um seinen
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