Die Masken des Morpheus
lauerndem Ton.
Sie fühlte sich immer unwohler in ihrer Haut. »Als Andenken.«
»Darf ich mir den Kristall einmal ansehen?«
Mira zögerte.
»Sie bekommen ihn gleich zurück.«
Widerstrebend ließ sie den rubinroten Stein in seine offene Hand fallen.
Er hob ihn vor die Augen und blickte hindurch. Plötzlich erstarrte er. Seine Rechte sank kraftlos herab. Fassungslos sah er sein Gegenüber an. »Mira?«
Sie erschauderte. »Woher … ?«
Er breitete die Arme aus. »Ich kann es dir nicht verdenken, dass du mich im Körper meines eigenen Scharfrichters nicht erkennst.«
»Arian?«, hauchte sie. Ihr wurde schwindlig.
Er griff rasch nach ihrer Hand und hielt sie fest. Seine Stimme schäumte über vor Freude. »Wenigstens einmal hat der Feuerkristall mir Glück gebracht.«
Sie fielen sich um den Hals.
»Ich liebe dich Arian«, schluchzte sie an seiner Schulter.
»Und ich liebe dich, meine kleine Falkendame. So hässlich, wie ich war, ging es über meinen Verstand, dass du jemals mehr in mir sehen könntest als einen Freund.«
»O Arian! Mein Herz war so schwer, weil ich es versäumt hatte, dir zu sagen, wie sehr ich dich liebe. Und jetzt lebst du! Ich kann es immer noch nicht fassen.« Sie drückte ihn fester an sich. Über seine Schulter hinweg sah sie, wie Madame Grosholtz sie beobachtete und verständnislos den Kopf schüttelte.
Die Wiedersehensfreude von Arian und Mira ist nicht ungetrübt.
Solange Morpheus lebt, werden sie keinen Frieden finden.
Paris, 13. Juli 1793
Arian hätte am liebsten Miras Hand gehalten, doch das wäre bei den Spaziergängern auf der Rue du Faubourg Saint-Honoré nicht gut angekommen. Das Paar war in seinen fremden Hüllen gefangen. Wenigstens konnte Mira darauf hoffen, bald in den eigenen Körper zurückzukehren. Arian und sie hatten einander von ihren jüngsten Erlebnissen erzählt und das Hôtel de Lys war nur noch wenige Minuten entfernt. Dort würden sie Pläne schmieden, um endlich auch Morpheus seine Beute abzujagen.
»Ich wusste, dass einem mächtigen Changeur ein Fünkchen Leben genügt, um in einen anderen Leib zu wechseln.« Mira schüttelte ungläubig den Kopf. »Aber was dir heute passiert ist …«
»Du wirst es nicht glauben«, sagte Arian, »ich habe sogar noch sehen und hören können, nachdem mein Haupt in den Korb gefallen war. Die Ungeduld des Henkers hat mich gerettet. Er konnte es ja gar nicht erwarten, sich mit seiner Trophäe den Schaulustigen zu zeigen. In diesem Moment kam es zum Swap. Irgendwie tut er mir leid.«
»Zumindest ist mir jetzt klar, warum er so schnell vom Blutgerüst verschwunden ist. Es war so schrecklich. Ich dachte, du seist tot und bin ohnmächtig geworden.«
Arian legte ihr den Arm um die Schulter. Dass sie ihn so sehr liebte …
»Das lass mal besser bleiben«, ermahnte sie ihn.
»Dürfen sich Kameraden nicht umarmen?«, frotzelte er, nahm die Hand aber trotzdem weg. Er merkte, wie Mira ihn von der Seite her ansah. »Was ist?«
»Dein Mitleid für den Gehilfen von Monsieur de Paris sollte dir Mut machen.«
»Du meinst, weil Turtleneck und seine Mordbuben kaum so für jemanden empfunden hätten, der ihnen den Kopf abhacken wollte? Ich habe nur Ikelas Rat befolgt. Hasse das Böse, nicht den, der es verübt, sagte sie. Ist es möglich, dass …?« Er horchte in sich hinein.
»Was?«
»Kann das Seelenecho der Schurken, deren Körper ich durchlebt habe, verstummt sein?«
»Ich vermute eher, du hast gelernt, es zu beherrschen. Überleg doch mal: Warum hat plötzlich die Guillotine gebrannt? Was ist da passiert? Tief in dir, meine ich. Man sagt ja, Feuer habe eine reinigende Wirkung.«
»Es kam mir so vor, als seien die Flammen immer da gewesen. Unerreichbar fern.«
»Du hast mir einmal gesagt, dein Sieg über Zoltán hätte dich verändert. War es heute nicht genauso?«
»Ganz bestimmt sogar. Als ich unter dem Fallbeil lag, war ich so zornig – ich wollte am liebsten die blutrünstige Menschenmenge auf dem Platz in einem Feuersturm vernichten. Aber dann sah ich dich und die Liebe zu dir erstickte meinen brennenden Hass.«
Sie blieb abrupt stehen. »Ist das wahr?«
Er nickte. »Ich glaube, am Ende hast du mich geheilt.«
Mira wischte sich mit dem Handrücken zwei Tränen aus den Augenwinkeln. »Es fällt mir schwer, dich nicht zu umarmen und zu küssen.«
»Wie wär’s, wenn wir das später nachholen?«
»Ich muss dir etwas sagen, Arian.«
»Nur zu.«
»Du hast das Seelenecho von Turtleneck
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