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Die Masken des Morpheus

Die Masken des Morpheus

Titel: Die Masken des Morpheus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Marat hatte das Versteck des Metasomenfürsten wohl nur erwähnt, weil sie für ihn so gut wie tot gewesen war.
    Die Sonne stand schon dicht über dem Horizont, als sie den Cimetière de la Madeleine erreichte. An der Friedhofspforte traf sie einen Mann, den sie sofort erkannte. Es war der Henker von Paris. Von ihrem Vater wusste Mira, dass Charles Henri Sanson ursprünglich hatte Arzt werden wollen. In seiner Freizeit studiere er die menschliche Anatomie an den Körpern von Hingerichteten. Vielleicht hatte er ja Gefallen an Turtlenecks Leichnam gefunden.
    »Pardon, Monsieur de Paris.«
    »Nennen Sie mich nicht so, Monsieur«, entgegnete Sanson ungehalten. »Andere haben mehr für diese Stadt getan als ich.«
    »Bitte verzeihen Sie. Mein Name ist Laurent Basse. Ich suche einen Mann, der heute auf der Place de la Révolution gestorben ist. Sie erinnern sich bestimmt an ihn …«
    »Sie müssen morgen wiederkommen. Der Friedhof hat schon geschlossen.« Sanson sperrte hinter sich die Pforte ab und wandte sich zum Gehen.
    »Er hatte ein rotes Glasauge. Es ist der Engländer, der die Guillotine in Brand gesteckt hat.«
    Der Henker verharrte mitten im Schritt und sah Mira mürrisch an. »In welcher Beziehung standen Sie zu ihm?«
    Ich liebte ihn, hätte sie gerne geantwortet, doch im gegenwärtigen Körper hielt sie das für keine gute Idee. Außerdem genügte manchmal schon die Freundschaft zu einem »Volksfeind«, um aufs Schafott zu kommen.
    »Seien Sie unbesorgt, Monsieur Basse«, brummte Sanson. »Sie stehen nicht vor dem Ankläger, sondern vor dem Henker von Paris. Und das bin ich auch nicht, weil ich meine Arbeit liebe. Aber irgendwer muss sie ja machen, und wie Sie vielleicht wissen, hat die Scharfrichterei in meiner Familie eine lange Tradition. Also, wie ist das nun mit Ihnen und dem Einäugigen?«
    »Er war ein Freund.« Sie schluckte. »Mein allerbester Freund.«
    »Mir wurde gesagt, er sei der gefährlichste Verbrecher von London gewesen.«
    »Das beruht auf einer Verwechslung. Man hat den Falschen guillotiniert.«
    »So?« Monsieur de Paris lächelte. »Na, wie auch immer. Ihr … Freund ist jedenfalls so berühmt, dass man sich etwas länger seines Anblicks erfreuen möchte. Sie haben Madame Grosholtz herbestellt, damit sie sich seiner annimmt.« Er deutete über seine Schulter zu einem Gebäude. »Sie ist noch bei der Arbeit. Gehen Sie ruhig hinein. Aber sagen Sie niemandem, dass ich es Ihnen erlaubt habe.« Er schloss die Pforte wieder auf.
    Mira bedankte sich. Mit einem flauen Gefühl im Magen betrat sie den Friedhof. Aus dem Unbehagen wurde Schaudern, als sie hinter dem Langbau, den Sanson ihr gezeigt hatte, die aufgereihten kopflosen Leichen sah. Zu ihren Füßen standen fünf oder sechs Weidenkörbe. In einem kramte eine Frau herum. Sie mochte Anfang dreißig sein, trug ein dunkelblaues Kleid mit einer Haube und schien nicht zu bemerken, dass sich ihr jemand näherte. Mira blickte ihr über die Schulter und erbebte innerlich.
    In dem Korb lagen mehrere Köpfe. Was immer diese Dame mit ihnen vorhatte, sie griff gerade nach Arians Haupt.
    »Madame Grosholtz?«, fragte Mira mit zitternder Stimme.
    Die Angesprochene fuhr herum – mit ihrer grausigen Beute in den Händen. »Mein Gott, haben Sie mich erschreckt, Monsieur!«
    »Pardon, das tut mir leid. Laurent Basse ist mein Name.« Mira deutete auf Arians Kopf, ohne ihn direkt anzusehen. »Darf ich fragen, was Sie da tun?«
    Madame Grosholtz lächelte traurig. »Ich verewige berühmte Verräter der Revolution.«
    »Wie bitte?«
    Sie seufzte. »Ihnen dürfte die Unsitte bekannt sein, die Häupter besiegter Feinde aufzuspießen und sie dem Volk zu präsentieren, eine uralte Barbarei, an der auch die neuen Machthaber festhalten. Nur stört es sie, dass die sterblichen Überreste der Hingerichteten allzu schnell stinken und unansehnlich werden. Deshalb haben sie meine Kunst in ihren Dienst gestellt.«
    »Kunst? Das heißt, sie malen Porträts von ihnen?«
    »Nein. Ich kenne mich mit dem Modellieren von Wachsfiguren aus. Sie glauben ja nicht, wie viele prominente Köpfe ich schon in Händen gehalten und nachgebildet habe! Man ließ mich sogar Louis Capet die Totenmaske abnehmen.«
    »Sie meinen den König?«
    »Er starb als einfacher Bürger«, sagte die Wachsbildnerin nicht ohne einen Anflug von Wehmut. Vielleicht war sie eine verkappte Monarchistin. Sie straffte die Schultern. »Was ich hier tue, ist schrecklich, Monsieur, aber wenigstens werden meine

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