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Die Masken des Morpheus

Die Masken des Morpheus

Titel: Die Masken des Morpheus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Heutzutage kann man niemandem mehr trauen.«
    »Da haben Sie in der Tat recht. Scheren Sie sich weg, ehe ich mich vergesse. Ich will Sie nie wieder sehen.«
    Mister M. atmete tief durch. Er würde noch einen Versuch unternehmen, diesen Rappelkopf zur Besinnung zu bringen. Nur als Verbündeter war ihm Philip Astley nützlich, als Feind konnte er ihn nicht leben lassen. »Ich denke, Sie wussten ganz genau, worauf Sie sich einlassen, als ich Ihnen für die Eröffnung Ihrer Dependance in Paris meine Hilfe anbot. Ich habe meine Zusagen immer erfüllt. Das Amphithéâtre Anglais war ein voller Erfolg …«
    »Bis die Jakobiner und Sansculotten, diese aufständischen Eiferer, mich vertrieben. Da haben Sie mich im Stich gelassen.«
    »Was hätte ich tun sollen? Die Revolution ist eine Bestie, die niemand zu zähmen vermag. Man kann nur abwarten, bis sie müde geworden ist, und ihr dann ein Schwert in den Rücken stoßen.«
    »Ausflüchte!«, stieß Philip wütend hervor. Er war puterrot vor Zorn und sein Speichel spritzte dem Seelendieb ins Gesicht. »Hätte ich mich nur nie auf diesen verfluchten Handel eingelassen! Geben Sie mir den Jungen zurück, oder Sie werden erleben, was es heißt, sich mit Sergeant Major Astley anzulegen.«
    »Also gut, ich kapituliere«, sagte Mister M. in beschwichtigendem Ton und ließ das Hufeisen sinken. Innerlich blieb er angespannt bis in die letzte Faser seines gestohlenen Körpers. »Ich sehe ein, dass ich mich in Ihnen getäuscht habe.«
    Arians Ziehvater nahm ebenfalls die Hände herunter.
    Darauf hatte M. nur gewartet. Er sprang auf sein Gegenüber zu und schlug ihm die eisenbewehrte Faust mit solcher Wucht gegen die Schläfe, dass sofort die Haut aufplatzte. Der Getroffene verdrehte die Augen und sackte in sich zusammen.
    »Mich betrügt keiner«, knirschte der Seelendieb. Ohne Mitleid blickte er auf den Gefällten herab. Unter dessen Kopf bildete sich rasch eine dunkle Blutlache. Es sah nicht so aus, als würde Philip Astley jemals wieder aufstehen. Trotzdem wollte M. sichergehen, den aufsässigen Gewährsmann ein für alle Mal los zu sein. Er beugte sich über sein Opfer und holte zum zweiten Schlag aus, um ihm endgültig den Schädel zu zertrümmern.
    »Dafür wirst du büßen, du Unhold«, zischte ihm plötzlich eine hasserfüllte Stimme ins Ohr. Sie klang nicht nach dem Papagei. Außerdem war sie so nahe, dass der Vogel ihm schon hätte auf der Schulter hocken müssen. Erschrocken fuhr er herum.
    Einen Moment lang blendete ihn das durchs Tor einfallende Sonnenlicht. Hinter ihm stand niemand. Und soweit er es erkennen konnte, befand sich auch sonst keine Menschenseele im Stall.

Derweil Arian sich selbst jagt,
beschert ihm Mister M. eine weitere böse Überraschung.
      
      
      
    London, 7. Juni 1793
      
    Im Kreuzgang der Westminster Abbey herrschte Totenstille. Von dem Geschrei vor dem großen Westportal war nichts zu hören. Arian lief mit Riesenschritten zum Südausgang, durch den er die Wabbey auch betreten hatte.
    In einem anderen Körper.
    Unfassbar! Obwohl er das Geschehene nicht leugnen konnte, sträubte sich sein Verstand immer noch gegen diesen Frevel an der Natur und an allem, was heilig war.
    Ob sie schon die Ausgänge der Kirche besetzten, um den Turmdachmörder zu fassen? »Suchen Sie einen Mann mit einer Gurke im Gesicht«, würden die Augenzeugen dem Constable von Westminster berichten. Und dann würden die Häscher ausschwärmen und Jagd auf den schwarz gewandeten Riesen machen. Wenn man ihn fasste, käme er an den Galgen für die Bluttat eines anderen.
    Arian hatte den Kreuzgang endlich hinter sich gelassen und folgte dem Gang zur Südpforte. Seine Schritte verlangsamten sich. Vorsichtig schob er sich an der Mauer entlang und spähte durch das Eisengitter auf den dahinterliegenden Platz. Dean’s Yard war verwaist, keine Menschenseele ließ sich blicken. Vielleicht hatten sich die Häscher versteckt, um sich auf jeden zu stürzen, der das Gotteshaus verließ.
    Er holte tief Luft. Dann lief er auf das Tor zu, nicht geduckt wie ein Sünder, sondern mit durchgedrücktem Kreuz wie ein aufrechter Mann. Er packte das Gitter und stieß es auf.
    Das Quietschen der Pforte klang in seinen Ohren wie ein Hilferuf. Unwillkürlich zog er den Kopf ein. Warum fühlte er sich so schuldig? Er hatte doch nichts getan. Vielleicht hing noch etwas von Hooters schlechtem Gewissen in diesem grobschlächtigen Leib, den nun er, das Opfer, bewohnte.
    Er trat auf den Platz hinaus. Aus

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