Die Masken des Morpheus
und Eibo auf den Boden setzte, hörte er ein energisches »Nein, Vater!«. Sämtliche Nackenhaare stellten sich ihm auf, weil es seine Stimme war, die den anderen so entschieden zurückwies. Vorsichtig spähte er zwischen den Fässern hindurch in den Mittelgang.
Vor der Kutsche stand, halb verdeckt von Arians eigener Gestalt, der Sergeant Major. Der Argwohn war ihm förmlich ins Gesicht gemeißelt. »Du siehst aus wie Mike«, sagte er, »klingst wie Mike und riechst wie Mike, aber du bist es nicht…« Er schien zu überlegen. »Sind Sie das, Turtleneck? Oder…« Abermals zögerte er. »Sie sind Mortimer!«
Arian erschauderte beim Klang dieses Namens wie jedes Mal, wenn er ihn hörte. War es möglich, dass derselbe Plagiator …? Nein! Er schüttelte den Kopf. Es gab sicher Tausende Mortimers auf der Welt. Lass die Vergangenheit ruhen, die Gegenwart ist schlimm genug, beschwor er sich. Warum hatte sein Adoptivvater ausgerechnet den Verbrecherkönig Turtleneck erwähnt? Das konnte nach den jüngsten Erlebnissen kein Zufall sein.
Gebannt verfolgte Arian das weitere Gespräch zwischen Philip und dem Seelendieb. Letzterer hatte gerade eine Verbindung zu Zoltán eingeräumt. Erst Mortimer und jetzt auch noch der verruchte Großmeister der Puppenspielergilde – allein vom Klang ihrer Namen bekam Arian Atemnot. Seine eigene Familie hatte ihn einst umbringen wollen. Kord und seine Großmutter Lorina waren gestorben, damit er weiterleben konnte. Und nun holte ihn die Vergangenheit ein wie eine Flutwelle, die einen überrollt und unter sich begräbt.
Je länger er lauschte, desto mehr wühlten ihn die unfassbaren Enthüllungen auf. Sergeant Major Astley und dieser Mortimer kannten sich schon seit der Zeit vor seiner Geburt. Der väterliche Freund, dem Arian rückhaltlos vertraut hatte, war im Grunde genauso bestechlich wie der Priester in der Wabbey. Er hatte ihm die Sache mit Kord und dieser Pariser Familie du Lys verschwiegen und war irgendwie sogar in die Ermordung von Tobes und Salome verstrickt. Und nun hatte er dem Seelendieb auch noch den letzten Pratt ans Messer geliefert. Offenbar war Philip sich über das Ausmaß seines Verrats nicht im Klaren gewesen, aber wie echt konnte diese Reue sein?
Arians Nerven lagen blank, nach allem, was er an diesem Tag schon durchlebt hatte. Er fühlte sich von der ganzen Welt im Stich gelassen. Wütend starrte er auf seine riesigen Hände. Sie zitterten. Sicher wäre es damit ein Leichtes, einem gemeinen Verräter den Hals umzudrehen …
Der Gedanke erschreckte ihn. Färbte da Hooters Mordlust auf ihn ab? Er ballte die Hände zu Fäusten, um sich unter Kontrolle zu bringen. Da hörte er, wie der Seelendieb überraschend einen versöhnlichen Ton anschlug.
»Also gut, ich kapituliere. Ich sehe ein, dass ich mich in Ihnen getäuscht habe.«
Arian riss sich von der Betrachtung seiner Pranken los, spähte wieder durch den Spalt und stutzte. Irgendetwas stimmte da nicht. Mortimers Arme hingen zwar scheinbar entspannt herab, doch warum umklammerte er dieses Hufeisen dermaßen fest, dass seine Knöchel elfenbeinern schimmerten? Arian schnappte nach Luft, um seinen Adoptivvater zu warnen …
Zu spät. Die eisenbewehrte Faust des Seelendiebs schnellte bereits nach oben und krachte wie ein Rammbock gegen den Schädel des Ahnungslosen. Sergeant Major Astley verdrehte die Augen, brach zusammen und blieb reglos liegen.
Die brutale Härte des unerwarteten Angriffs versetzte Arian in einen Schockzustand. Das kann er unmöglich überlebt haben. Für einen Moment war er wie gelähmt. Nicht einmal um Hilfe zu rufen vermochte er.
Der Seelendieb murmelte etwas und beugte sich über das Haupt seines Opfers. Offensichtlich wollte er ein weiteres Mal zuschlagen. Schon holte er mit dem Hufeisen aus.
Endlich überwand Arian seine Starre. Da er den Mörder nicht mehr rechtzeitig erreichen konnte, versetzte er stattdessen seine Bauchrednerstimme neben Mortimers Kopf und zischte: »Dafür wirst du büßen, du Unhold.«
Der Seelendieb fuhr herum. Seine Augen verengten sich, als sie ins Sonnenlicht blickten, das durch den Türspalt fiel.
Arian schoss hinter dem Fass hervor. Jetzt zahle ich es dir heim und hole mir meinen Körper… Ein überraschender Schwindel packte ihn. Er geriet ins Wanken, prallte mit der Schulter gegen einen Stützbalken und stolperte. Hooter war eben kein Artist, er vertrug das schnelle Aufstehen nicht.
»Was tust du da, Junge? Lass sofort das Hufeisen fallen!«, rief
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