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Die Masken des Morpheus

Die Masken des Morpheus

Titel: Die Masken des Morpheus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Mira fühlten sich wie neu geboren. Niemand trachtete ihnen mehr nach dem Leben. Sie hatten die Grande Terreur hinter sich gelassen, die in Frankreich mit jedem Tag schrecklicher wurde, und sie hatten Morpheus besiegt. Nun erwartete den Ziehsohn von Philip Astley nur noch eine schwere Aufgabe: Er musste mit seinem Adoptivvater reinen Tisch machen.
    Das Paar war in der Nacht von Donnerstag auf Freitag mit der rasenden Kutsche der Royal Mail nach London zurückgekehrt. Von der Poststation hatten sie sich gleich nach ihrer Ankunft in die Hercules Row begeben, wo sie Philip Astley in seinem wuchtigen Haus antrafen, der Hercules Hall .
    Der Sergeant Major war noch etwas wacklig auf den Beinen, hatte sich von seiner Kopfverletzung aber schon wieder gut erholt. Als er Arian erblickte, ging es ihm gleich noch viel besser. Seinen Adoptivsohn nicht nur wohlbehalten, sondern auch mit einer so hübschen Verlobten wiederzusehen, ließ den angeschlagenen Dragoner regelrecht aufblühen. Dass Mira die Tochter von Baladur und Maria du Lys war, wollte er zunächst gar nicht glauben. Mit einem melancholischen Lächeln sagte er: »Dann hat das Schicksal euch zwei am Ende doch noch zusammengeführt.«
    Sie setzten sich in den Grünen Salon, so benannt nach der Farbe der Stofftapete. Das helle Zimmer verströmte die Eleganz vergangener Jahrzehnte. Auf einen Teppich hatte man zugunsten des Parkettbodens aus Eichenholz verzichtet. Seiner Schlichtheit standen überbordende Verzierungen bei den Möbeln gegenüber. All das kannte Arian. Neu war nur der große, glockenförmige Vogelkäfig auf dem Messingständer vor dem Fenster.
    »Da staunst du, was?«, sagte der grün-gelb-rote Papagei in dem Bauer.
    Arian lief zu dem Vogel. »Du … erkennst mich?«
    »Ob ich bemerkt habe, dass du Mortimer Slay den Körper abgejagt hast, meinst du? Natürlich.«
    »Entschuldige, es war mein Körper. Er hatte ihn mir gestohlen.«
    »Das sieht ihm ähnlich, Unhold, verdammter. Mir hat sein Sprössling dieses geschmacklose Federkleid auf den Leib geschneidert. Seitdem spüre ich, wenn einer im falschen Körper steckt. Bei dir ist alles wieder im Lot.«
    »Dann bist du so eine Art fliegender Feuerkristall?«
    »Keine Ahnung, was du damit meinst. Ich bin Elizabeth Fulhame, Chemikerin. Pan hat mich letztes Jahr in ein Tier verwandelt, weil sein Vater einen Papagei brauchte, der sprechen, lesen und vor allem gut rechnen konnte. Der gute Thomas, mein Gemahl, denkt wahrscheinlich, ich sei tot.«
    »Das tut mir leid, Mrs Fulhame.«
    »Sag Lizzie zu mir. Das passt besser zu einem Federvieh.«
    Der Sergeant Major griff nach der Käfigtür und klappte sie demonstrativ ein paar Mal auf und zu. »Ich halte Lizzie natürlich nicht gefangen. Sie kann fliegen, wann und wohin sie will.«
    »Und warum bist du nicht zu deinem Mann heimgekehrt?«, fragte Arian den Vogel.
    »Nach Schottland? Damit mich unterwegs ein Habicht schlägt?« Lizzie lachte, was so bitter klang wie das Lachen einer Krähe. »Nein danke. Außerdem wusste ich, dass Philips Ziehsohn ein Swapper ist. Ich hatte dich ja im Körper dieses grobschlächtigen Kerls gesehen und hoffte, du könntest mich eines Tages wieder in einen Mensch verwandeln. Deshalb bin ich bei deinem Vater geblieben.«
    »Leider besitze ich nicht dieselben Kräfte wie mein Großonkel Pan. Aber vielleicht war deine Entscheidung trotzdem richtig, Lizzie.«
    »Wollen wir es uns nicht etwas bequemer machen?«, fragte Philip und deutete auf die Sitzmöbel. Man hatte ihm, da er sich oft müde fühlte, vor das Fenster auf der Flussseite eine Chaiselongue gestellt. Sie war groß genug, um seinen hünenhaften Körper ganz darauf auszustrecken. Im Moment war er dafür viel zu aufgeregt. Er bimmelte mit einem Glöckchen und rief mit seiner dröhnenden Stimme nach Tee. Dann grinste er.
    »Ich habe einen neuen Gentleman’s Valet . Ihr werdet staunen.« Er meinte einen Diener zu seiner persönlichen Verfügung, der ihn also an- und umkleidete, Besorgungen für ihn erledigte und ihn außerhalb der Hauptmahlzeiten bediente.
    Arian und Mira nahmen zusammen auf einem Canapé Platz. Er bestand darauf, dass sie bei der Aussprache anwesend war.
    Die beiden staunten tatsächlich nicht schlecht, als wenig später ein bulliger Mann in schwarzem Frack mit einem silbernen Tablett aufkreuzte. Seine Hände waren so groß, dass man unweigerlich fürchtete, sie würden das feine Porzellan durch bloße Berührung zersplittern lassen.
    »Hammer?«, entfuhr es

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