Die Masken des Morpheus
Gesicht. Hoffentlich war die Wunde nicht aufgebrochen. »Brauchst keine Krokodilstränen zu flennen, Slit. Ich weiß ganz genau, dass du nicht traurig wärst, wenn ich den Galgen von Newgate schmücken würde.«
»Was ist mit deinem Arm?«
»Ich hatte eine kleine Auseinandersetzung.«
»Wie viele Tote?«
»Einer.« Arian knirschte mit den Zähnen. Hätte er den Seelendieb doch nur früher eingeholt! Dann wäre der Sergeant Major noch am Leben.
»Du schwächelst«, zog Slit ihn auf. »Was ist mit dem Gaukler?«
»Der ist mir entwischt.«
Der Wirt kam mit eingezogenem Kopf an den Tisch. Er schien Hooter ebenfalls zu kennen und zu fürchten. »Was kann ich Ihnen bringen, Sir?«
»Das Gleiche wie immer«, brummte Arian, um sich nicht durch eine unpassende Bestellung zu verraten.
Monster knurrte. Es klang wie die letzte Warnung.
»Ein Porter. Kommt sofort«, sagte der Wirt und trollte sich.
Slit deutete grinsend auf den blutverklebten, durchlöcherten Jackenärmel seines Kumpans. »Hast wohl deinen Meister gefunden? Schusswunde?«
»Degen.«
»Du hast dich duelliert?«
»So weit habe ich es nicht kommen lassen.« Arian merkte, wie ihm die Situation zusehends entglitt. »Was hat der King gesagt?«
»Du weißt ja, wie er ist.«
»Aber du kennst ihn besser. Bist ja sein Leibwächter.« Damit hatte Arian die erste Karte des von Doktor Abernathy ausgeteilten Blattes gespielt. Hoffentlich nützte es seiner Glaubwürdigkeit.
»Eher schäumt das Bier im Krug über als unser Boss.«
Ist ja ein richtiger Poet, dieser Schlitzer, dachte Arian. Da man in den Pubs tunlichst darauf bedacht war, den Schaum aus den Humpen fernzuhalten, glaubte er zu verstehen, was Slit meinte. »Ist er mit unserer Arbeit nicht zufrieden?«
»Das ist es nicht. Der Abgang des Froschfressers war ja genau so, wie der Boss es sich vorgestellt hat. Nur, als ich ihm erzählte, was du mir erzählt hast, ist seine Laune in den Keller gerutscht.«
»Wieso denn das?«
»Du sagtest, der Frosch hätte dem Seiltänzer was zugeflüstert. Das hat dem Boss nicht gefallen. Er fragte mich, ob Mortimer den Jungen angefasst habe. Ich wusste erst nicht, was er damit meint, aber dann habe ich nachgedacht und genickt. Hättest ihn danach mal sehen sollen, den King. Ist rumgehüpft wie ein Schachtelteufel und hat mir befohlen, den Gaukler vorsichtshalber in der Themse zu versenken.«
Arian schluckte. »Wieso das denn?«
»Er sagte, der Hexenmeister sei in den Jungen gefahren.«
»Glaubst du das auch?« Arian stellte sich gerade vor, wie eine Armee von Killern seinen entlaufenen Körper kreuz und quer durch London jagte.
Slit hob die schweren Schultern. »Was ich denke, spielt keine Rolle. Ob Morde, Verstümmelungen, Brandstiftungen oder Einschüchterungen – was immer der Boss verlangt, wird prompt erledigt. Wenn er befiehlt ›Nimm dein Messer und steche den Gentleman ab‹, dann nehme ich mein Messer und steche ihn ab. So einfach ist das. Solltest du eigentlich wissen.«
»Natürlich«, beeilte sich Arian zu versichern. »Aber…« Er brauchte dringend einen Plan. Nervös griff er in die Hosentasche, zog den Halfpenny heraus und ließ ihn auf seinen Fingern Saltos schlagen.
Slit beachtete das Spiel mit der Kupfermünze kaum. Vielleicht hatte er es schon des Öfteren gesehen. »Aber?«
»Kannst du mich zum King bringen? Heute Abend noch?«
»Willst dich wohl bei ihm Liebkind machen?«
Monster knurrte. Offenbar spürte er die gereizte Stimmung seines Herrn.
»Unsinn«, antwortete Arian ärgerlich. »Bei der Verfolgung des Gauklers bin ich auf etwas gestoßen. Auf etwas Wichtiges. Ich muss es dem Boss dringend mitteilen.«
»Sag’s mir. Dann erzähl ich’s ihm.«
»Er könnte dir deine Neugierde übel nehmen. Die Angelegenheit darf niemand sonst erfahren.«
»Und das soll ich dir glauben? Sehe ich aus, als hätte ich das Hirn eines Schweins?«
»Ja.«
»Was? Du verdammter …«
»Du musst mir glauben«, rief Arian. Er tat so, als spreche er im Fieber. Wenn er den Eindruck erweckte, die Sache sei von größter Wichtigkeit, konnte er von Slit vielleicht mehr über den Seelendieb erfahren. »Warum sollten wir den Franzmann umbringen?«
»Das weißt du doch.«
»Ja, aber du stehst dem Boss viel näher als ich. Ich wette, er hat dich in seine Pläne eingeweiht.«
Slit grinste. »Klar. Ich bin eben sein bester Mann.«
Arian stöhnte. »Das will dir niemand streitig machen. Und jetzt sag endlich! Wieso musste Mortimer sterben?«
Der Dicke
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