Die Masken des Morpheus
die Luft zwischen den zusammengebissenen Zähnen ein, als der Arzt das große Loch an der Austrittsstelle zusammenzog. »Er hat sich meiner angenommen, während es mir sehr schlecht ging«, ächzte Arian.
Der Doktor lächelte, wodurch sein Gesicht noch skurriler aussah. Er hatte Hängebacken, Augenringe und eine Kartoffelnase mit einigen ansehnlichen Warzen darauf. »Das scheint eine Marotte von ihm zu sein. Kennen Sie seinen Adoptivsohn?«
»Sie meinen Mike?«, lallte Arian. Er hatte eindeutig zu viel Betäubungsmittel geschluckt. »Wir beide halten zusammen wie Pech und Schwefel. Meistens jedenfalls.«
»Ich mag den Jungen. Er hat mir etliche Patienten geschickt. Seltsam, dass er einen so guten Freund wie Sie nie erwähnte, Mister …?«
»Bleiben wir einfach bei Hooter.« Arian deutete mit der freien Hand auf seine Nase und grinste albern. »Kann man sich leichter merken.«
Der Arzt blieb stockernst und wandte sich der kleineren Eintrittswunde zu. Leidenschaftlich stach er seine Nadel ins Fleisch des Walisers. »Wie, sagten Sie noch gleich, ist es zu der Verletzung gekommen?«
»Ich habe gar nichts gesagt«, stöhnte Arian. Je weniger Abernathy über den Vorfall wusste, desto besser.
»Sieht aus, als hätte jemand mit einem Stilett in Ihnen herumgestochert. Ist er denn wenigstens fündig geworden?«
»Es war ein Unfall, eine missglückte Fechteinlage. Einem übereifrigen Iren ist das Florett ausgerutscht. Im Amphitheater kommt so was täglich vor.«
»Ist mir bekannt!« Abernathy lächelte. »Ich lebe ganz gut davon.«
»Darf ich Sie auch etwas fragen, Sir?«, lallte Arian. Ein weiterer Stich ließ ihn die Augen zusammenkneifen, bis Nadel und Faden wieder aus dem Arm heraus waren.
»Nur zu. Ich mache derweil noch einen hübschen Knoten. Dann kann der Rollbraten in den Ofen.« Der Schotte grinste. »War nur ein Scherz. Sie bekommen natürlich einen Verband.«
Arian blinzelte. Tränen liefen ihm über die Wangen. »Von Mike weiß ich, dass Sie ab und zu zwielichtiges Gesindel verarzten.«
»Unser Heiland hat sich auch um den Übeltäter gesorgt, der neben ihm hingerichtet wurde.«
»Eigentlich wollte ich Sie fragen, ob Sie ein Pub kennen, das The Gun heißt. Muss sich irgendwo drüben in den Docks befinden.«
Seine Hängebacken schienen noch tiefer zu sinken. »The Gun? Da verkehren nur Seeleute, Schmuggler und ähnliches Pack.«
»Also Leute, die sich bei der Arbeit öfters mal verletzen.«
»So kann man’s auch sagen. Erst vor ein paar Tagen habe ich da im Oberstübchen Kapitän Nelson behandelt, bevor er sein neues Kommando auf der Agamemnon übernahm. Er machte sich Sorgen wegen der Seekrankheit.«
»Der Kommandant eines Kriegsschiffes? Das ist nicht Ihr Ernst.«
»O doch!« Abernathy zwinkerte Arian hinter dem Brillenglas zu. »Aber verraten Sie’s keinem. Sonst zittert niemand mehr vor unserer Navy.«
»Konnten Sie dem Kapitän denn helfen?«
»Ja. Ich sagte ihm, das sicherste Mittel gegen Seekrankheit sei es, sich unter einen Apfelbaum zu legen. Er hat gelacht, sich bedankt und klaglos mein Honorar bezahlt.«
»Sachen gibt’s!« Arian schüttelte den Kopf. Die seltsame Geschichte hatte ihn für einen Moment seinen Schmerz vergessen lassen. »Kennen Sie noch andere Leute aus dem Pub, vielleicht einen Mann, den man Slit nennt?«
»Sie meinen Cuthbert ›der Schlitzer‹ Sutton? Den kennt vermutlich jeder in den Docks. Meistens läuft er mit seiner Englischen Bulldogge herum – zwei Kreaturen von der übelsten Sorte. Vor einigen Monaten bin ich ins Gun gerufen worden, weil er wieder mal mit seinem Messer herumgespielt hatte.«
»Sie meinen, er hat sich verletzt?«
»Slit?« Abernathy lachte freundlos. »Der verletzt nur andere. Hat einem Seemann die Milz angestochen. Der arme Tropf ist verblutet, ehe ich im Pub ankam.«
»Stimmt es, dass Slit für Turtleneck arbeitet?«
Der Arzt nickte. »So sagt man. Er sorgt dafür, dass niemand dem King zu nahe auf die Pelle rückt.«
»Dem King?«
»So lässt sich der Oberschurke von London am liebsten nennen, natürlich nur von seinesgleichen.«
»Dann ist Slit also sein Leibwächter.« Das passte. Arian rieb sich grübelnd die Nase. Hooter hatte den Schlitzer als »besten Mann« des Bosses bezeichnet. »Wo könnte ich den Verbrecherkönig finden?«
»Er soll irgendwo im French Quarter hausen.«
»In Soho? Haben Sie zufällig schon einmal einen Hausbesuch bei ihm gemacht?«
»Nein«, brummte Abernathy und zog den zwischenzeitlich
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