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Die Masken des Morpheus

Die Masken des Morpheus

Titel: Die Masken des Morpheus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Was um alles in der Welt willst du an so einem Ort, Mira?
    »Ich habe in dem Tollhaus meine stoffliche Hülle versteckt.«
    Was?!
    »Hier wird Mortimer sie bestimmt nicht suchen.«
    Da dürftest du recht haben. Es muss die Hölle auf Erden sein.
    »Du übertreibst maßlos, Arian. So, wie du es beschreibst, ging es im Bedlam vielleicht noch zur Jahrhundertwende zu.«
    Na dann ist ja alles bestens. Er hätte am liebsten laut gelacht, so aberwitzig kam ihm die Situation vor.
    »Wenn es das wäre, hätte ich mir einen anderen Unterschlupf ausgesucht«, widersprach sie ihm schnippisch. »Was ich hier gesehen habe, als ich mich gestern Abend selbst einlieferte, ist schlimm, keine Frage, aber man stellt die verwirrten Menschen nicht mehr auf eine Stufe mit Vagabunden, Dirnen und Verbrechern. Es gibt in diesem Irrenhaus sogar eine Abteilung für Heilbare, um die sich Ärzte kümmern.«
    Und da hast du deinen Körper eingelagert?
    »Nein. Er wartet auf der anderen Seite auf mich, bei den Unheilbaren.«
    Du meine Güte! Hast du keine Angst, sie könnten ihn dir ruinieren?
    »Die Patientinnen da sind zwar stumpfsinnig, aber harmlos. Der Vorteil ist, dass sich um die hoffnungslosen Fälle kaum jemand kümmert.« Sie zog etwas aus der Jackentasche und machte sich an der Tür zu schaffen. Er fühlte, dass es kühl und schwer war.
    Was hast du da?
    »Einen Diebeshaken. Er gehört Zed. Damit kann ich das Schloss öffnen.«
    Ach deshalb bist du vorhin erst zu dem Alten gelaufen, anstatt dich um mich zu kümmern. Ich dachte, du nimmst Abschied von ihm. In Wahrheit hast du in seinen Taschen herumgekramt.
    »Dazu war nur ein Griff nötig. Denkst du eigentlich von allen Menschen so schlecht wie von mir?«
    Der Hieb saß. Er machte Arian bewusst, wie unfair er sich gegenüber dem Mädchen verhielt. Aber wie konnte er überhaupt noch einer Menschenseele trauen? Sein Leben war in den letzten Stunden völlig aus den Fugen geraten. Rasch wechselte er das Thema. Wenn du dir deine Hülle zurückholst, kann ich dann die von Hooter wiederhaben? Mira hatte den Organismus des Walisers während des Fußmarsches nach Moorfields bis an den Rand der Erschöpfung gebracht. Es war höchste Zeit, dass sie sich wieder trennten.
    »Nein. Die bekommt Zed. Irgendwie muss ich ihn ja dafür entschädigen, dass du seinen Körper ruiniert hast.«
    Ich? Hast nicht du ihn ins Dampfbad geschleppt, wo ihm die Puste ausging?
    »Und dort hast du ihn gekapert, um ihn abstechen zu lassen.«
    Meinst du, es macht mir Spaß, zu verbluten?
    »Vielleicht. War ja immerhin das zweite Mal seit gestern Mittag.«
    Du bist ja …
    Reg dich ab, Arian, fiel ihre Gedankenstimme ihm ins Wort. Endlich hatte sie die Tür aufbekommen. Dieses Haus ist voller leerer Seelen. Wir finden schon etwas Passendes für dich.
    Ich töte keine Menschen, nur weil sie auf eine andere Weise verrückt sind als die übrigen Irren dieser Welt.
    Wie scharfsinnig! Jetzt bist du auch noch ein Philosoph.
    Stand in der Zeitung über Nathaniel Lee, der hier fünf Schreckensjahre verbrachte.
    Du meinst den Dramatiker aus dem letzten Jahrhundert?
    Ja. »Sie nannten mich verrückt, und ich nannte sie verrückt, und, verflucht sollen sie sein, sie überstimmten mich«, beklagte er sich.
    Anders ausgedrückt: Die Mehrheit entscheidet darüber, wer Normal ist und wer ins Tollhaus kommt?
    Genau.
    Gut. Ich spreche für Zed und für mich, was zwei Drittel der Stimmen ausmacht. Sei also endlich still.
    Arian zog sich wütend in sein Schneckenhaus zurück.
    Mira betrat das Gebäude. Sie schloss hinter sich die Tür, ohne sie jedoch abzusperren, und tastete sich an einer Wand entlang. Dielen knarzten unter ihren Füßen. Aus der Ferne hallte ein unheimliches Klagen herüber.
    Was ist das?, fragte Arian.
    Die Stimmen der verlorenen Geister.
    Nach einigen Schritten erreichten sie eine weitere Tür. Leise drehte Mira am Knauf und öffnete sie. Licht fiel durch den Spalt. Sie steckte den Kopf hindurch und spähte in einen langen Gang. Vier oder fünf Öllampen brannten darin. Es roch nach Urin, Fäkalien und ungewaschenen Körpern. Wir sind hier am Ende des Ostflügels . Die Säle der Unheilbaren sind drüben auf der anderen Seite. Dazwischen liegt eine Wachstube. Überlass bitte mir die Führung.
    Arian schwieg, während Mira in den Korridor schlüpfte. Einerseits bewunderte er sie für ihren Mut, andererseits fürchtete er sich vor dem, was sie gleich von ihm verlangen würde. Er spürte ja selbst, dass zwei Swapper zu viel

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