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Die Masken von San Marco

Die Masken von San Marco

Titel: Die Masken von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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stellung der Produktion hieße, dass sie sich wieder darauf beschränken müsste, einmal im Jahr ihren legendären Maskenball zu organisieren, und Tron bezweifelte, dass sie sich damit zufriedengeben würde. Und es bedeutete auch, dass die Renovierung des Palazzo Tron – der im Gegensatz zum Palazzo Balbi-Valier immer noch eine Bruchbude war – auf unabsehbare Zeit unterbrochen werden würde.
    Erstaunlich, dachte Tron, wie sehr sich nicht nur sein Leben, sondern auch das seiner Mutter durch die Verlobung mit der Principessa geändert hatte. Zunächst hatte der Contessa seine Bekanntschaft mit der Tochter eines kleinen Pächters aus der terra ferma missfallen. Doch irgendwann hatten ihre spitzen Bemerkungen über die bescheidene Herkunft der Principessa aufgehört. Und als die Principessa den Vorschlag machte, den Namen Tron für das Glas, das sie auf Murano produzierte, zu benutzen, hatte die Contessa zu Trons Überraschung sofort zugestimmt. Und sich dann mit ebenso überraschender Hingabe – sie war nicht mehr die Jüngste – dem Geschäft mit dem Pressglas gewidmet. Dass die Contessa sich nun wieder ins Privatleben zurückziehen könnte, war völlig undenkbar.
    Tron räusperte sich. «Ich frage mich, was die Contessa macht, wenn du die Pressglasproduktion einstellst.»
    In der Tat – was konnte die Contessa anfangen? Einen Handel mit Antiquitäten eröffnen, wie ihre Freundin, die Contessa Albrizzi, die im Erdgeschoss ihres Palazzos wohlhabenden Fremden gefälschte Möbel andrehte? Sich auf den Verkauf von billigst erworbenen, drittklassigen Bildern spezialisieren, die sie den Kunden als alten Familienbesitz aus der sala des Palazzo Tron verkaufte? Oder alle vier Wochen einen Maskenball organisieren mit Eintrittspreisen wie bei einer Theateraufführung? Schwer vorstellbar.

    Tron fiel das Gespräch ein, das er heute Nachmittag auf dem Bahnhof geführt hatte. Ohne nachzudenken, sagte er: «Julia Valmarana hat eine Pension im Palazzo Valmarana eröffnet.» Was er sofort bereute, denn bei der Vorstellung, die sala des Palazzo Tron in einen Frühstückssalon für Pensionsgäste zu verwandeln, wurde ihm regelrecht übel.
    Die Principessa hob die Augenbrauen. «Die Frau deines Schulfreundes? Der auf der Strecke nach Verona die Fahrkarten kontrolliert?»
    «Valmarana ist inzwischen Stationsvorsteher. Wir hatten heute Nachmittag ein Gespräch.»
    «Wie läuft die Pension?»
    Offenbar nicht schlecht, wenn Tron Valmarana richtig verstanden hatte. Vorsichtshalber, um diese Möglichkeit schon im Ansatz zu sabotieren, wiegelte er ab. «Sie brauchen immer noch Valmaranas Gehalt als Stationsvorsteher.
    Aber wir hatten andere Dinge zu besprechen.» Er beeilte sich, das Thema zu wechseln. «Das ist der Grund, aus dem ich heute Mittag absagen musste.»
    «Was ist passiert?»
    «An den Fondamenta Nuove ist eine Leiche angetrieben worden», sagte Tron, erleichtert darüber, dass die Principessa keine weiteren Erkundigungen über die Pensione Valmarana anstellte, «vermutlich mit einem gebrochenen Genick. Ohne Papiere, aber mit einem Erster-Klasse-Billett von Verona nach Venedig. Bossi behauptet, der Mann sei im Zug ermordet und dann aus dem Coupé geworfen worden.»
    «Ich denke, er hatte ein gebrochenes Genick.»
    «Für Bossi ein Indiz, dass ein professioneller Killer am Werk gewesen sein musste. Professionelle Killer, sagt Bossi, töten lautlos und ohne Spuren zu hinterlassen.» Tron lä chelte. «Kein Blut, kein Rauch.»

    Er hatte erwartet, dass die Principessa über diesen kindischen Unsinn den Kopf schütteln würde. Doch stattdessen erkundigte sie sich: «Und was meinst du?»
    «Dass Bossi zu viele schlechte Romane liest», antwortete Tron. Er nahm einen kräftigen Schluck aus seinem Champagnerglas, wobei er feststellte, dass seine neuerworbene Kenntnis von den Kosten dieses Getränkes seinen dekadenten Genuss eher steigerte. «Ich glaube», fuhr er fort, «dass es ein Unfall war. Der Mann ist aus dem Coupé gefallen, hat sich dabei das Genick gebrochen und ist in die Lagune gerutscht.»
    «Wenn es ein Unfall war, müsste sich das Gepäck des  Toten im Abteil gefunden haben», sagte die Principessa.
    Tron nickte. «So ist es. Deshalb sind wir auch auf dem Bahnhof gewesen.»
    «Und?»
    «Herrenloses Gepäck hat sich nicht gefunden», sagte  Tron, der auf einmal das absurde Gefühl hatte, dass die Principessa seiner Unfalltheorie misstraute. «Aber das ist noch lange kein Beweis für ein Verbrechen. Das Gepäck könnte

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