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Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe

Titel: Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Melko
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sofort mit Grace und Henry reden kann, ist dieses Gespräch beendet.«
    Ein kurzes Schweigen. »Rufen Sie in zehn Minuten folgende Nummer an.« Visgrath diktierte ihm eine Nummer, die John eilig mitschrieb. Danach legte er auf.
    Zehn Minuten … John ging ruhelos auf und ab. Falls Visgrath bei seinem Anruf persönlich ans Telefon ging, gab er damit einen Hinweis darauf, wo sich Grace und Henry befanden: vermutlich in dem abgezäunten Bereich hinter dem Bürokomplex in Columbus. In Pittsburgh konnten sie dann nicht sein, da er Visgrath direkt in seinem Büro in Columbus angerufen hatte. Und der einzig sichere Ort in einem Umkreis von zehn Minuten von diesem Büro war der abgezäunte Bereich.
    Nachdem zehn Minuten verstrichen waren, wählte John die angegebene Nummer.
    »Hallo?«, meldete sich eine Stimme mit starkem Akzent, die ganz sicher nicht Visgrath gehörte.

    »Ich will Visgrath sprechen.« John hatte Mühe, seine Atmung unter Kontrolle zu bringen.
    »Er ist nicht hier.«
    »Ich muss aber mit ihm sprechen.« Wenn Visgrath nicht ans Telefon ging, konnte John höchstens noch spekulieren, wo Grace und Henry festgehalten wurden. Wie sollte er es dann je herausfinden?
    »Wer spricht da?«, fragte der Unbekannte.
    »Visgrath hat mir gesagt, dass ich hier anrufen soll.«
    Die Stimme entfernte sich etwas vom Hörer. »Hier ist …« Eine kurze Pause, ein Rascheln, dann wieder die Stimme, so laut wie zuvor: »Er ist hier.«
    John stieß einen Seufzer aus. Also waren Grace und Henry in Columbus!
    Auf der anderen Seite wurde der Hörer weitergereicht. Eine lange Pause entstand, bis sich eine schwache Stimme meldete. »John?«
    »Grace! Wie geht es dir?«
    »John?«
    »Zufrieden?«, meldete sich Visgrath. »Sie haben mit ihr gesprochen. Und jetzt bringen Sie mir bitte das Gerät.«
    »Was ist mit Henry?«
    »Dem geht es auch gut.«
    »Ich will mit ihm sprechen!«
    »Nein.«
    »Dann kommen wir nicht ins Geschäft.« Wenn Henry nicht sprechen konnte, musste John vom Schlimmsten ausgehen.
    »Wenn Sie nicht sofort hier erscheinen, werde ich gleich beide umbringen.«
    »Vergessen Sie’s.«
    »Legen Sie’s nicht drauf an!«
    »Legen Sie sich nicht mit mir an!« Den letzten Satz brüllte John in den Hörer. Gleichzeitig fiel sein Blick auf die alte,
analoge Telefonleitung, die am Dachbalken über seinem Kopf befestigt war. Konnte Visgrath den Anruf am Ende zurückverfolgen? John wurde schwindlig vor Angst. Als er weitersprach, war seine Stimme merklich leiser. »Ich werde das Gerät überbringen, aber zu meinen eigenen Bedingungen. Wenn Grace oder Henry auch nur ein Haar gekrümmt wird, verschwinde ich. Für immer.«
    Visgrath schwieg einige Sekunden lang. »Wann?«
    »Ich rufe Sie in zwei Tagen an.«
    »Das ist mir zu spät!«
    »Sie haben doch schon Jahrzehnte gewartet. Die achtundvierzig Stunden schaffen Sie jetzt auch noch!« John knallte den Hörer auf die Gabel.
     
    Wie ein Roboter verdrahtete John die letzten Teile des Transferschaltkreises, des letzten kritischen Kontrollsystems, das für den eigentlichen Transport in ein anderes Universum verantwortlich war. Viele der untergeordneten Systeme hatte er ignoriert – in der verzweifelten Hoffnung, dass das Gerät auch ohne diese Details funktionieren würde. Oft hatte er sich dabei auf sein Gefühl verlassen, hatte intuitiv geraten, was wichtig und was unwichtig sein konnte. Hoffentlich hatte er die richtigen Dinge weggelassen. Ihm fehlte die Zeit, all seine Schritte sorgfältig zu überprüfen; stattdessen verlötete er die Platinen, Kondensatoren und Widerstände einfach in der Anordnung, die ihm am sinnvollsten erschien, Henrys Nachbildung des Fadens immer im Hinterkopf. Schlafwandlerisch irrte er durch das Gewirr von Kabeln und Schaltkreisen. In einem Moment ergab alles einen Sinn, im nächsten fiel er wieder in sich zusammen wie pure Traumlogik.
    John war klar, dass er einen Schuss ins Blaue riskierte und damit womöglich alles aufs Spiel setzte. Aber was sollte er sonst tun? Visgrath war unberechenbar, er konnte mit ihm
nicht wie mit einem normalen menschlichen Wesen umgehen. Ohne mit der Wimper zu zucken, würde dieses Monster seine Freunde und ihn umbringen, um an das Gerät zu kommen. Visgrath war die fleischgewordene Skrupellosigkeit.
    Als der Morgen graute, setzte John die letzten Teile ein und betrachtete sein Werk.
    Es füllte drei ganze Klapptische aus und war mindestens hundertmal größer als das Gerät, das er vor der Brust trug. Nein, tragbar war dieses

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