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Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe

Titel: Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Melko
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John. Du bist wirklich ein paranoider Idiot.«
    »Dagegen kann ich wohl nichts einwenden.« Er beugte sich über sie und küsste ihre ausgetrockneten Lippen. »Bis bald.«

     
    Den nächsten Vormittag verschlief John vollständig. In seinen Träumen irrte er durch Labyrinthe aus immer gleichen Schaltkreisen. Riesige Kondensatoren blähten sich auf wie Luftballons, bis sie in einem Schauer aus Drähten explodierten. Widerstände wurden zu schmalen Abwasserkanälen, durch die er sich nur kriechend zwängen konnte. Als er endlich am anderen Ende des Irrgartens angekommen war und die Tür zur Freiheit aufstieß, musste er feststellen, dass dahinter nur ein zweites Labyrinth aus weißer Glasfaser auf ihn wartete, größer noch als das vorige. Von Schweiß bedeckt wachte er schließlich auf.
    Mit steifem Rücken betrachtete John die Schaltkreise und Drähte, die auf der Werkbank ausgebreitet waren. Er wusste nicht, wo er anfangen sollte. Wieder überkam ihn Panik. Was ihm gestern Abend noch glasklar erschienen war, verschwamm im Tageslicht zu vagen Schemen. Das Gerät war die reinste Rube-Goldberg-Maschine, unglaublich kompliziert im Aufbau – nur ein echter Schwachkopf würde sich zutrauen, diese Logik zu durchschauen.
    Frustriert rieb er sich die Hände und wandte sich schließlich wie am Vortag einem einzelnen Schaltkreis zu. Was sollte er sonst auch tun? Er musste das Problem in kleinere Probleme zerlegen. Mit etwas ganz Einfachem beginnen, und von dort zur nächsten Teilaufgabe fortschreiten. Versuche nie, alles auf einmal im Kopf zu behalten. Nur das, was zur aktuellen Frage gehört. Später kann man immer noch alles zusammensetzen.
    Während John auf den Schaltplan starrte, klickte es plötzlich in seinem Kopf. Er fügte zwei Schaltkreise zusammen, lötete und verdrahtete sie. Dann blickte er erneut auf den Schaltplan und verlötete zwei weitere Schaltkreise. Und noch zwei. Und noch zwei. Und immer so weiter. Er musste das Gerät nicht verstehen, um es nachbauen zu können. Verstehen würde er es später einmal, und wenn
es zehn Jahre dauerte. Erst musste er seine Freunde befreien.
     
    John blickte auf. Sein Magen knurrte hörbar, und er hatte einen schalen Geschmack im Mund.
    »Wie lange …«, murmelte er vor sich hin.
    Der Platinenhaufen war ein einziges Durcheinander. John wusste nicht einmal, was er noch vor einer Stunde getan hatte. Die ganze Zeit hatte er wie im Rausch Schaltkreise miteinander verbunden und sich ab und zu etwas auf Klebezetteln notiert, um sich selbst daran zu erinnern, was wohin gehörte. Doch jetzt verließ ihn der Glaube an sein Werk. Wie groß war die Chance, dass er keinen Fehler gemacht hatte? Bei seinem ersten Versuch?
    Verschwindend gering, sagte er sich. Der ganze Mist war wertlos. Es würde nie im Leben funktionieren.
    Als er an Casey dachte und danach an Grace und Henry, wurde ihm speiübel. War es nicht doch besser, Visgrath das Gerät einfach auszuhändigen? Vielleicht war das die einzig richtige Entscheidung, die einzige Entscheidung, mit der er das Leben seiner Freunde retten konnte. War es nicht unglaublich egoistisch von ihm, an dem Gerät festzuhalten und den Helden zu spielen?
    Voller Angst und Schuldgefühle hob John den Hörer des alten Telefons ab, das Bill in der Scheune installiert hatte. Es dauerte eine Weile, Visgraths Nummer in Columbus mit der Wählscheibe einzugeben, aber John war fest entschlossen.
    Schon beim ersten Klingeln nahm Visgrath ab.
    »Ich will einen Beweis dafür, dass es den beiden gutgeht«, sagte John ohne weitere Begrüßung.
    »Sie denken also, dass Sie hier die Regeln bestimmen?« Visgraths Stimme drang scharf aus dem Hörer. »Sie denken, Sie könnten mir vorschreiben, wie die Sache läuft? Dann
denken Sie lieber nochmal nach. Wir haben keine Skrupel – im Gegensatz zu Ihnen, ganz offensichtlich.«
    »Wenn Sie das Gerät haben wollen, werden Sie mir zuerst einen Beweis dafür liefern müssen, dass Grace und Henry nichts passiert ist.«
    »Wenn Sie nicht sofort hierher kommen, töten wir einen von beiden.«
    John musste schlucken, doch seine Kehle war staubtrocken. »Na und? Das sind doch nicht mal Singletons.«
    Visgrath lachte. »Würden Sie wirklich so denken, hätten wir den ganzen Spaß nicht.«
    »Ich habe mich eben an die beiden gewöhnt.« John versuchte, möglichst viel Arroganz in seine Stimme zu legen.
    »Versuchen Sie nicht, mir was vorzuspielen. Ein zweites Mal kommen Sie nicht damit durch.«
    »Wie auch immer: Wenn ich nicht

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