Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe
Schreibtisch. Seine Stimme war brüchig. »Du enttäuschst mich, John. Ich war mir immer sicher, dass du ein guter Junge bist. Doch alles, was ich sehen und hören musste, seit
du durch diese Tür getreten bist, hat mich diese Einschätzung überdenken lassen.«
Prime zuckte erneut mit den Achseln. Gushmans Wut und Enttäuschung prallten an ihm ab. Er stand auf. »Was soll’s. Kann ich jetzt gehen?«
»Ja. Wegtreten!«
Wenigstens musste Prime sich jetzt keine Gedanken mehr darüber machen, wie er es auf die Schnelle zu einem passablen Basketballer bringen sollte. Außerdem konnte er die drei Tage gut gebrauchen, um seine Vorhaben voranzutreiben. Im Vorbeigehen grinste er die Sekretärin an und auch die armen Penner, die im Vorraum auf ihre Audienz warteten. Das lief ja alles noch besser als erwartet.
Prime nahm den Zwei-Uhr-Zug nach Toledo, nachdem er eine halbe Ewigkeit in der Führerscheinstelle verbracht hatte. Der Typ am Schalter hatte sich zunächst schlicht geweigert, die Verlustanzeige für Primes Führerschein aufzunehmen.
»Ich bin mir absolut sicher, dass er nicht wieder auftauchen wird«, hatte Prime beteuert.
»Das sagen sie alle, und dann finden sie den Führerschein da, wo sie nie im Leben gesucht hätten.«
»Glauben Sie mir. Er. Wird. Nicht. Wieder. Auftauchen.«
Ein verwirrtes Blinzeln. »Na schön. Dann geben Sie mir mal die ausgefüllten Formulare.«
Den vorläufigen Ersatzführerschein in der Tasche, hätte Prime sich am liebsten ein Auto gemietet – aber das hätte genauso viel Aufsehen erregt wie in Findlay, Ohio, einen Patentanwalt zu engagieren. Nein, er musste nach Toledo, um seine Geschäfte abzuwickeln. Und dafür eigneten sich die drei schulfreien Tage ganz hervorragend.
Durch das Zugfenster betrachtete Prime das flache Land Nordohios mit seinen zahlreichen Farmen, das rasch an ihm vorbeizog. Ihm wurde klar, wie sehr es ihn schmerzen würde,
jetzt das Universum zu wechseln. Immer hatte er sich einen Fluchtweg offengehalten, immer im Erdgeschoss geschlafen, immer in den ältesten Gebäuden, die er finden konnte. Seine Brust juckte an der Stelle, wo sich das Gerät befunden hatte.
Aber jetzt war das alles Johnny Farmers Problem. Prime war frei. Er passte perfekt in seine Rolle, konnte in dieser Welt mühelos abtauchen. Hier würde niemand nach ihm suchen. Hier würde nicht plötzlich um drei Uhr nachts die Polizei erscheinen und die Tür eintreten. Hier gab es keine FBI-Agenten, die es auf sein Gerät abgesehen hatten.
Welcher Naivling er früher doch gewesen war! Was hatte er alles durchstehen müssen, bis er endlich hier gelandet war. Wie oft war er beinahe ums Leben gekommen. Wie oft hatte er es noch auf der Zielgeraden versaut.
Für eine Sekunde spürte Prime einen Anflug von Schuldgefühlen gegenüber dem verbannten Johnny. Er hoffte, dass der Unschuldsknabe rechtzeitig kapieren würde, in welcher Lage er sich befand, bevor alles den Bach runterging. Vielleicht konnte sich der kleine Farmer ein neues Zuhause suchen, einen Ort, um sich niederzulassen, so wie Prime. Wäre es nicht doch besser gewesen, ihm zumindest eine Nachricht zuzustecken?
Prime lachte auf. Dafür war es jetzt zu spät. Johnny Farmer war auf sich gestellt. Er war ganz allein. Genau wie Prime es gewesen war.
Eine Viertelstunde. Eine geschlagene Viertelstunde lang hatte ihm die erste Patentanwältin zugehört, bevor sie bemerkt hatte, sie könne keine neuen Klienten annehmen. Fast hätte Prime sie angeschrien: »Und warum lassen Sie mich dann so lange rumlabern?!«
Beim zweiten Anwalt dauerte es bis zur Absage ganze dreißig Sekunden. Doch der Dritte hörte Prime misstrauisch, aber geduldig zu, während er von seiner Idee für Rayburns
Würfel erzählte. Und das Geld, das Prime ihm als Vorschuss auf die drei Patente überreichte, die er recherchieren und anmelden sollte, nahm der Anwalt ohne Zögern entgegen.
Von einem billigen Hotel aus rief Prime Casey an. »Hey, Casey! Hier ist John.«
»John! Ich hab gehört, dass sie dich für einen Monat von der Schule suspendiert haben!«
»Das ist eine mehr als grobe Übertreibung.«
»Was ist denn passiert?«
»Du weißt schon, die unendliche Ted-Carson-Geschichte. Ich hab Gushman gesagt, dass ich mich nicht entschuldigen werde, und da hat er mich erst mal rausgeworfen. Du hättest sein Gesicht sehen sollen!«
»Du hast dich mit Mr. Gushman angelegt? Wow. Du weißt doch, dass er früher Oberst in der Armee war?«
»Ja, und außerdem hat er
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