Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe
Hospital, das genauso aussah wie in seinem Universum: ein typisches öffentliches Gebäude der Fünfzigerjahre. Eine Viertelstunde lang musste John auf einem Untersuchungstisch in der Notaufnahme warten, bis endlich ein älterer Arzt kam, um ihn durchzuchecken.
»Fleischwunden auf der Handfläche. Das Handgelenk ist leicht verstaucht. Nicht weiter schlimm. Die Hand ist ansonsten
in Ordnung.« Der Blick des Arztes wanderte zu Johns Knie. »Linkes Knie verstaucht. Das werden wir verbinden. Wahrscheinlich wirst du für ein paar Tage Krücken brauchen.«
Ein paar Minuten, nachdem der Arzt verschwunden war, tauchte eine Frau mit einem Klemmbrett auf. »Du musst diese Formulare ausfüllen«, sagte sie. »Bist du schon über achtzehn?«
John schüttelte den Kopf, versuchte, schnell zu denken. »Nein. Aber meine Eltern sind auf dem Weg.«
»Hast du sie angerufen?«
»Ja.«
»Dann müssen sie uns ihre Versicherungsdaten geben.«
»Sicher.«
Endlich ging die Frau. John stand vorsichtig auf und blickte ihr hinterher, bis sie außer Sichtweite war. Dann hinkte er unter Flüchen in die andere Richtung, wo er einen Notausgang fand. Er drückte die Tür auf und quälte sich quer über den angrenzenden Parkplatz, verfolgt von den heulenden Sirenen.
Die Glocke schlug achtmal. John lag auf der Treppe vor der Bücherei und zitterte in der morgendlichen Kälte. Sein Knie war auf Melonengröße angeschwollen, die eisige Nacht lag ihm in den Knochen. Acht Uhr. Prime musste sich gerade auf den Weg zur Schule gemacht haben. Als Erstes stand Englisch auf dem Stundenplan. John hoffte bloß, dass sein Zwilling den Aufsatz über Edgar Alan Poe nicht vergessen hatte.
Nicht nur der pulsierende Schmerz in seinem Knie hatte John den Schlaf geraubt, sondern auch seine aussichtslose Lage: Er hatte die 1700 Dollar von Prime verloren, bis auf achtzig Dollar, die noch in seinem Geldbeutel steckten. Der Rucksack lag im falschen Universum. Seine Kleidung war
zerrissen und verdreckt. Er hatte die Arztrechnung geprellt. Und er war weiter weg von zu Hause als je zuvor.
Hilfe. John brauchte Hilfe. Doch wer sollte ihm helfen?
Auf jeden Fall konnte er nicht hierbleiben. Wahrscheinlich hatte das Krankenhaus schon die Polizei verständigt, weil er einfach so abgehauen war. Es gab keine andere Möglichkeit: Er musste sich ein anderes Universum suchen, um neu anzufangen.
Mit steifem Knie humpelte er zu einem Ben-Franklin-Laden hinüber und kaufte sich ein einfaches Paar Hosen sowie einen neuen Rucksack. Danach ging er zur Mitte des Platzes – ein halbwegs sicherer Ort -, stellte den Universumzähler ein und wartete auf eine günstige Gelegenheit. Als gerade niemand in seine Richtung schaute, betätigte er den Hebel.
Schritt für Schritt stieg John die Treppe zum Eingang der Bücherei hinauf. Bisher konnte er keinen Unterschied zu seinem Universum erkennen. Aber mittlerweile war es ihm auch ziemlich egal, was hier nun wieder anders war. Er wollte nur noch herausfinden, wie er nach Hause kommen konnte. Gerade eben, mitten auf dem Platz, hatte er noch mehrmals versucht, mit dem Gerät ein Universum zurück zu reisen, aber wieder hatte es nicht geklappt. Dasselbe bei Universen, die noch vor seinem eigenen lagen – kein Erfolg.
John hatte nur eine Chance: Er musste verstehen, was es mit Paralleluniversen wirklich auf sich hatte. Und dazu brauchte er die Hilfe von Experten.
Doch je länger er im Zettelkatalog der Stadtbücherei herumwühlte, desto deutlicher wurde, dass dies nicht der richtige Ort für eine Recherche über theoretische Physik war. Er fand nichts weiter als ein gutes Dutzend Science-Fiction-Romane, die ihn natürlich kein bisschen voranbrachten.
Er musste nach Toledo. Nach dem Case Institute of Technology war die University of Toledo, eine staatliche Universität, seine zweite Wahl fürs Studium. Sie war nicht allzu weit entfernt, und die Hälfte seiner Freunde wollte ebenfalls dorthin. Aber vor allem hatte die University of Toledo eines vorzuweisen: eine nicht gerade herausragende, aber akzeptable Physik-Abteilung.
John nahm den Zwei-Uhr-Zug nach Toledo. Übermüdet von den Turbulenzen der letzten Tage, döste er auf der Fahrt vor sich hin. Ein Student nahm ihn zum Campus mit.
Die Bibliothek der Physik-Abteilung war ein einziger quadratischer Raum. Bücherregale säumten die Wände, weitere Regale drückten sich zwischen die drei Tische, die in gleichmäßigen Abständen aufgestellt waren. John fühlte sich eingeengt, er
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