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Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe

Titel: Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Melko
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hier sind, können wir es als gegeben annehmen, dass wir existieren. Na gut, ein bisschen komplexer ist es schon.«
    »Aber was ist mit anderen Universen, mit Menschen, die genauso existieren wie wir?«
    Wilson lachte. »Unwahrscheinlich. Mehr als unwahrscheinlich. Glücklicherweise entbindet uns Ockhams Rasiermesser , das Sparsamkeitsprinzip in der Wissenschaft, von der Pflicht, derlei Fragen nachzugehen. Von mehreren Theorien zum gleichen Sachverhalt ist die einfachste immer noch zu bevorzugen.«
    »Aber wenn man doch zwischen Universen hin und her reisen könnte? Wie würde das funktionieren?« Verzweifelt versuchte John, die ablehnende Haltung des Professors irgendwie zu brechen.
    »Man kann nicht, und es würde nicht. Ganz und gar undenkbar.«
    »Aber wenn es doch ginge? Was, wenn ich mir sicher wäre? Ganz sicher?«
    »Dann wären Ihre Messungen manipuliert worden oder Sie hätten sie falsch interpretiert.«
    John fasste sich an die linke Wade, spürte unter dem Stoff seiner Hose die Wunde, wo der Katzenhund ihn gebissen hatte. Nein, er wusste, was er gesehen hatte. Und was er gefühlt hatte. Kein Zweifel, er hatte sich das alles nicht nur eingebildet. »Ich weiß, was ich gesehen habe.«
    Wilson streckte abwehrend die Hand hoch. »Ich will Ihre Beobachtungen ja gar nicht in Zweifel ziehen. Das ist offensichtlich ohnehin Zeitverschwendung. Also gut. Sagen Sie mir, was Sie glauben, gesehen zu haben.«
    Doch John wusste nicht, wo er anfangen sollte. Wilson nutzte sein Zögern und fing sofort wieder an zu reden.
»Sehen Sie? Jetzt sind Sie sich auf einmal nicht mehr so sicher, was?« Er beugte sich vor. »Als Physiker muss man ein kritisches Auge besitzen. Man muss es schulen, überprüfen, immer wieder die empirische Spreu vom Weizen trennen.« Wilson ließ sich wieder nach hinten sinken und warf einen Blick aus dem Fenster. »Ich schätze, Sie haben sich zu viele Arnold-Schwarzenegger-Filme reingezogen oder zu viele Science-Fiction-Romane gelesen. Nur, weil Sie irgendetwas Merkwürdiges gesehen haben, heißt das noch lange nicht, dass Sie gleich mit hochkomplexen physikalischen Theorien ankommen müssen. Halten Sie sich erst einmal an das Naheliegende. Das Wahrscheinliche.« Der Professor klopfte sich mit den Händen auf die Oberschenkel. »Nun, draußen wartet eine Studentin, eine, die auch einen meiner Kurse belegt. Also gehen Sie jetzt am besten und denken darüber nach, was Sie wirklich gesehen haben.«
    John drehte sich um, und tatsächlich stand direkt hinter ihm eine Studentin, die in der Tür gewartet hatte. Wut kochte in ihm hoch. Dieser Typ spielte sich auf, machte ihn runter, nur weil er andere Fragen stellte als die anderen und ein bisschen jünger war als er. Wilson hatte ihn einfach so abgefertigt.
    Mit geballter Faust wandte John sich noch einmal zum Schreibtisch. »Ich kann es beweisen.«
    Wilson warf ihm nur einen zweifelnden Blick zu und winkte die Studentin heran.
    John machte auf den Fußballen kehrt und ging mit schnellen Schritten den Flur hinunter. Er hatte um Hilfe gebeten, und was war geschehen? Man hatte ihn ausgelacht. »Dem werd ich’s zeigen«, sagte er in die Leere der Physik-Abteilung hinein. Die Treppe nahm er in vier Sprüngen. Unten angekommen, stieß er die Schwingtür zu dem weitläufigen Innenhof auf, an den die McCormick Hall grenzte.

    »Pass doch auf, Mann!«, rief ein Student, den er fast mit der Tür getroffen hätte. John ging wortlos an ihm vorbei. Auf dem Hof sammelte er eine Handvoll Steine vom Boden auf und warf sie einen nach dem anderen auf das Fenster im zweiten Stock, das er für Wilsons hielt. Nach einem Dutzend Steinen, als sich schon einige Studenten um John versammelt hatten, öffnete sich das Fenster.
    Wilson schaute mit zornesrotem Kopf heraus. »Die Campuspolizei ist jeden Moment hier!«
    »Dann schauen Sie mal ganz genau her, Professor Scheißeim-Hirn!«, schrie John zurück, holte das Gerät hervor und legte den Hebel um.

8
    Mitten in der Nacht wachte Prime auf, in den Krallen des altbekannten, immer wiederkehrenden Alptraums: gefangen in der Dunkelheit, ohne Luft zu bekommen, ohne den Körper auch nur einen Millimeter bewegen zu können. Mit einem Schrei setzte er sich auf und schleuderte die Bettdecke von sich. Er konnte jetzt keine Berührungen ertragen, nichts, gar nichts durfte seine Haut berühren. Also riss er sich auch den Schlafanzug vom Leib, stellte sich splitternackt ins Zimmer und atmete tief durch. Atmen, einfach atmen.
    Ihm war heiß.

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