Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe
graue Sakko über dem gleichen blauen Hemd, wie John auffiel. »Das heißt, Sie glauben nicht an das Konzept der multiplen Universen als Erklärung für … für …« Ja, für was eigentlich? John stockte. Ihm wurde klar, dass sein Wissen doch noch nicht ausreichte. Zwar hatte er die Fragen im Kopf, aber er konnte sie nicht richtig formulieren.
»Sie meinen die Quantentheorie? Ob die multiplen Universen dort nicht unabdingbar sind?«
John nickte hilflos.
»Nein. Die multiplen Universen sind völlig überflüssig. Ist Ihnen Ockhams Skalpell , das Sparsamkeitsprinzip in der Wissenschaftstheorie, ein Begriff?«
Wieder nickte John.
»Also, welche Theorie ist einfacher? Welche ist naheliegender? Ein einziges Universum, das auf Quantenebene dem Gesetz der statistischen Wahrscheinlichkeit unterliegt? Oder unendlich viele Universen, wobei jedes zufällige Ereignis
ein neues Universum hervorbringt?« Wilson blickte ihn herausfordernd an. »Wie viele Universen haben Sie denn bisher gesehen?« John öffnete den Mund, um die rhetorische Frage ehrlich zu beantworten, doch Wilson schnitt ihm das Wort ab. »Eines. Aber sagen Sie mal … Studieren Sie eigentlich hier?«
»Nein. Ich gehe noch auf die Highschool.«
»Verstehe. Wissen Sie, hier geht es um ziemlich komplexe Dinge, junger Mann. Eher was für Fortgeschrittene, klar? Hatten Sie denn überhaupt schon Infinitesimalrechnung?«
»Nur ein halbes Semester.«
»Gut, probieren wir’s anders.« Wilson nahm einen Briefbeschwerer in die Hand, einen Stein, auf dem ein Gesicht aufgemalt war. »An irgendeinem Punkt innerhalb der nächsten zehn Sekunden werde ich die Entscheidung treffen, diesen Stein fallen zu lassen.« Er hielt kurz inne, wartete und ließ den Stein schließlich auf den Tisch fallen – nach vielleicht sieben Sekunden. »Eine völlig zufällige Entscheidung. Nehmen wir der Einfachheit halber an, dass ich den Stein nur zu ganzen Sekunden und nicht zu Sekundenbruchteilen fallen lassen kann. In neun anderen Universen habe ich den Stein also zu jeweils einer der anderen Sekunden fallen gelassen, von eins bis zehn eben. Durch dieses eine, zufällige Ereignis habe ich zehn Universen ins Leben gerufen. Der Viele-Welten-Theorie zufolge existieren sie alle gleichermaßen. Die Frage lautet nun: Wo kommt die ganze Materie her, um einfach so zehn Universen zu erschaffen? Und die ganze Energie?« Er schnippte mit den Fingern. »Rechnen wir das Ganze mal hoch auf die praktisch unendliche Anzahl von Quantenereignissen, die in dieser Sekunde auf der Erde stattfinden. Wie viel Energie bräuchte man, um all diese Universen zu erschaffen? Wo soll die herkommen? Wie Sie sehen, ist die Viele-Welten-Theorie mehr als absurd.«
John versuchte, einen Fehler in Wilsons Argumentation zu finden, doch es klang alles so überzeugend, dass er unsicher geworden wäre, hätte er die praktische Widerlegung nicht am eigenen Leib erlebt. Erneut merkte er, wie wenig Ahnung er im Grunde hatte. Er musste Wilson zu weiteren Ausführungen bewegen, um mehr zu erfahren. »Aber was, wenn es doch multiple Welten gäbe? Könnte man dann zwischen diesen Welten hin und her reisen?«
»Nein. Ganz und gar ausgeschlossen.«
»Aber …«
»Nein. Eine Reise zwischen den Universen ist völlig unmöglich, selbst wenn die Theorie korrekt wäre.«
»Dann ist die Theorie fehlerhaft.«
»Genau das habe ich Ihnen ja eben erläutert. Es gibt keine Paralleluniversen.«
John konnte seine Frustration nicht mehr im Zaum halten. »Doch! Ich weiß, dass es welche gibt. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen!«
»Dann sind Ihre Messungen manipuliert worden. Oder Sie haben sie falsch interpretiert.«
»Kommen Sie mir nicht schon wieder so!«
Wilson starrte ihn schweigend an und stand auf. »Bitte verlassen Sie mein Büro. Und am besten auch gleich den Campus. Vielleicht sollten Sie ärztliche Hilfe in Erwägung ziehen.«
Jetzt wurde John richtig wütend. Dieser Wilson war kein bisschen besser als der andere. Er ging einfach davon aus, dass John Quatsch erzählte, weil er sich wie ein Landei benahm, wie ein Farmer. Dieser »Professor« konnte sich nicht mal im Traum vorstellen, dass so ein Hinterwäldler etwas wissen könnte, was er nicht schon längst wusste. Es reichte.
John stürzte sich auf Wilson. Papiere stoben in die Luft und segelten zu Boden, Bücherstapel kippten um. Den Professor
fest am Kragen gepackt, schrie John ihm ins Gesicht: »Ich kann es beweisen, verdammt nochmal, ich kann es
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