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Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe

Titel: Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Melko
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sich auf ihn gestürzt und an seinem Rücken festgekrallt hatte. Der Torso war in einem geraden Schnitt abgetrennt worden, vielleicht einen knappen Meter hinter John. Das bedeutete, dass das Gerät einen Radius von etwa einem Meter hatte.
    »Nimm deine Mutter in den Arm«, sagte er zu dem Mädchen, »ganz fest.«
    Kylie blickte ihn an. Ihre Augen waren hart. Was hatte sie in ihrem kurzen Leben wohl schon für Grausamkeiten gesehen? Doch schließlich nahm sie Johns Hand und schmiegte sich eng an ihre Mutter. Als sie das gebrochene Bein bewegen musste, ächzte sie vor Schmerz.
    John stellte den Universumzähler auf 7539 ein, legte sich zwischen Mutter und Tochter auf den Boden und zog die
beiden eng an sich. Unter seinen Händen fühlten sie sich an wie Skelette. Durch den abgewetzten Stoff ihrer Kleidung spürte er ihre Rippen und die Knochen ihrer Arme.
    In diesem Universum hatten Kylie und ihre Mutter keine Chance. Ohne Familie, ohne Ärzte würden sie hier nur noch den Tod finden. John musste ihnen helfen, sonst starben sie. Er musste es einfach tun.
    Die schmalen Körper rechts und links von ihm fest umklammernd, atmete er tief ein und betätigte den Hebel.
     
    »Was zum …!«, rief irgendwer.
    John richtete sich mühsam auf. Der Schnee war verschwunden, bis auf ein paar matschige Reste, die an seinen Beinen und dem Rücken der Frau klebten. Die Frau, das Mädchen! In einem plötzlichen Anflug von Panik zog sich Johns Magen zusammen. Er erwartete, jeden Moment fehlende Gliedmaßen, blutige Stümpfe zu entdecken, doch sie hatten es beide geschafft. Das Wirkungsfeld des Geräts hatte ausgereicht, um ihn, die Frau und das Mädchen vollständig abzudecken.
    »Was geht denn bei euch ab, Mann?«, fragte eine Stimme.
    Mit verschwommenem Blick versuchte John, sich in dem neuen Universum zurechtzufinden. Sie befanden sich noch immer neben dem Ottawa River, auf einem breiten Schotterweg, den das Blut der Frau langsam rot färbte. Um ihn und seine Reisegefährtinnen hatte sich eine kleine Gruppe Studenten versammelt.
    Keine Zeit für Diskussionen, beschloss John. »Diese Frau wurde angeschossen! Wir brauchen sofort einen Krankenwagen!«
    »Krasse Scheiße«, meinte einer der Studenten. Er trug schwarze Jeans und eine schwarze Jeansjacke. An seinem linken Ohr, unter einer ebenfalls schwarzen Strickmütze, glitzerte ein Ohrring in der Sonne. Er schaute zwischen der
blutenden Frau und den anderen Schaulustigen hin und her, als ob der Krankenwagen dadurch aus dem Nichts erscheinen würde.
    »Hat nicht irgendwer ein Telefon?« John rang die Hände. »Verdammt, die verblutet hier!«
    Eine Studentin, die ihre Bücher wie zum Schutz vor der Brust umklammert hielt, deutete auf einen Laternenpfahl in zehn Metern Entfernung. »Da drüben ist ein Notruftelefon.«
    Weil sich offenbar niemand sonst dazu aufgefordert fühlte, rannte John zu dem Telefon hinüber und nahm den Hörer ab.
    Sofort ertönte ein Freizeichen und kurz darauf eine männliche Stimme. »Sicherheitsdienst der Universität.«
    »Ich brauche Hilfe! Eine Frau wurde angeschossen. Und ein kleines Mädchen hat sich das Bein gebrochen. Schicken Sie einen Krankenwagen, schnell!«
    »Wie lautet Ihr Name?«
    »Kommt der Krankenwagen?«
    »Ja. Aber wie lautet Ihr Name?«
    John legte auf. Plötzlich war ihm heiß. Nach den eisigen Temperaturen des letzten Universums schien nun eine warme Oktobersonne auf ihn herab. Friedliche Stille lag über dem Universitätsgelände. Hier wurden keine Kämpfe um Lebensmittel ausgetragen, keine Schießereien wegen zwei jämmerlicher Dosen Campbell’s Chicken Noodle Soup. An den Laternenpfahl gelehnt, sah John zu, wie sich immer mehr wohlgenährte Studenten um die Frau und das Mädchen scharten. Mittlerweile hatte sich die Kleine aufgerappelt und starrte mit großen Augen auf all die fremden Gesichter, die sie ihrerseits anstarrten. Vielleicht fragte sie sich, wo der ganze Schnee hin war.
    Eine Minute später durchschnitt das grelle Kreischen einer Sirene die Luft. Langsam wurde es brenzlig. Wahrscheinlich
kreuzte auch gleich die Polizei auf, da John von einem Schuss berichtet hatte. Er blickte an sich hinab, auf seine blutgetränkte Kleidung, und hörte im Geiste schon die Fragen, die ihm gleich blühen würden.
    John zog die Jacke aus, drehte sie auf links, zog sie wieder an und machte sich auf den Weg, fort von der Menge.
    Er hatte seinen Teil getan. Er hatte die beiden hierhergebracht, in ein Universum, in dem es reichlich zu essen gab.

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