Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe
wurde direkt schlecht davon.
Grace wirkte verletzt. »Aber warum denn nicht? Es ist doch nur …«
»Schlag es dir aus dem Kopf.« John rammte die Scheiben in ihre Halterung, packte sein Notizbuch in den Rucksack und verließ das Labor.
Nein. Er würde sich nicht in Prime verwandeln. Er war anders. Mit interdimensionalem Handel würde er sich nicht abgeben, niemals. Prime war ein Ausbeuter, einer, der alles nur für seine Zwecke benutzte. Er hatte nichts mit ihm gemein. Was wollten Grace und Henry nur von ihm, warum
bedrängten sie ihn die ganze Zeit? Es wäre wirklich besser, in den anderen Kurs zu wechseln und die Laborstunden am Montag zu besuchen. Die beiden waren ihm schon viel zu nah auf den Pelz gerückt – so etwas durfte er sich in diesem Universum nicht erlauben. Denn sobald er das Gerät entschlüsselt hatte, würde er diese Welt hinter sich lassen.
In seiner Wut war John, ohne es zu merken, quer über den Campus bis zum Studentenwerk gelaufen. Eigentlich wollte er so schnell wie möglich nach Hause, doch ein Wort auf einem Aushang am Schwarzen Brett ließ ihn innehalten: »Findlay«. Jemand suchte eine Mitfahrgelegenheit nach Findlay und bot an, sich an den Benzinkosten zu beteiligen. John hatte sowieso vor, nächstes Wochenende Bill und Janet zu besuchen, also warum nicht? Da fiel ihm der Name auf dem Aushang in die Augen: »Casey Nicholson«.
Johns Hand verharrte vor dem Zettel mit Caseys Telefonnummer. Nein, dachte John, nicht Casey. Alles, nur nicht Casey.
Eine Sekunde später riss er den Zettel ab.
18
Am Freitag war es so weit: John fuhr hinüber zur Benchley Hall, einem der Wohnheime für Studentinnen.
Da die Durchfahrt vor dem Gebäude hoffnungslos verstopft war, ließ er den Wagen auf einem etwa einen Kilometer entfernten Parkplatz stehen und machte sich zu Fuß auf den Rückweg. Es wurmte ihn, dass er so nervös war. Gab es denn einen Grund dafür? Casey kannte ihn nicht, John kannte sie nicht. Das Mädchen, in das er verknallt gewesen war, befand sich in einem anderen Universum. Und nach allem, was er wusste, lag es in diesem Moment in Primes Armen – zumindest wenn Prime seinen Willen bekommen hatte, was anscheinend meistens der Fall war.
Diese Casey war eine vollkommen unbekannte Größe. Es konnte gut sein, dass sie mit seiner Casey rein gar nichts gemeinsam hatte. Möglicherweise trug sie ja denselben Namen, hatte aber eine andere Mutter, und damit andere Gene? Vielleicht war sie klein und brünett statt blond und groß? Vielleicht war sie eine totale Zicke? Oder lesbisch?
Und vielleicht hatte sie einen Freund.
Ja, wahrscheinlich hatte sie einen Freund. Ein hübsches Mädchen wie Casey hatte immer einen Freund.
Noch auf den letzten hundert Metern brütete John vor sich hin. Mittlerweile war er davon überzeugt, dass er im Begriff war, einen schweren Fehler zu begehen. Anstatt seine Probleme möglichst gering zu halten, lud er sich immer neue auf. Was sollte er denn zu dieser Casey sagen? Hey, wir waren zusammen auf der Highschool, aber du erinnerst dich
ganz sicher nicht an mich! Und übrigens, ich war in eine andere Version von dir verknallt! Bescheuerter ging’s ja wohl nicht.
In der Vorhalle des Wohnheims herrschte ein Betrieb wie am letzten Tag des Semesters: Offenbar fuhren alle Studentinnen zum Wochenende nach Hause, so dass sie fast übereinandersteigen mussten, um zu den Autos und Bussen zu gelangen. Überall stapelten sich Wäschesäcke und Koffer. Es dauerte eine Weile, bis John sich durch die Menge zu einem Telefon durchgeschlagen und Caseys Nummer gewählt hatte.
Kaum war das Freizeichen ertönt, hob jemand ab. »Hallo?«
Das war nicht Casey. Das war nicht ihre Stimme. Kurz bevor Johns Herz aussetzte, konnte er sich gerade noch beruhigen: In Benchley Hall gab es nur Vierer-WGs, also hatte sie noch drei Mitbewohnerinnen. Er räusperte sich. »Äh … Ist Casey da?«
»Jack? Ist da Jack?«
Wer zum Teufel war Jack? »Äh … Nein. Ich bin Caseys Mitfahrgelegenheit nach Findlay.«
»Ach so. Sie kommt gleich runter.«
John hängte auf. Bestimmt war Jack ihr Freund. So ein Typ aus dem Footballteam. Oder ein Medizinstudent. Er konnte aber auch Lehrbeauftragter an der Musikschule sein – jedenfalls niemand, mit dem John in irgendeiner Weise mithalten konnte. Aber das wollte er ja auch gar nicht, verdammt nochmal, schließlich war das nicht seine Casey!
Von einem Fuß auf den anderen tretend, wartete John vor den Fahrstühlen. Immer wieder öffnete sich eine der
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