Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe
bessere. Und auch deutlich bessere Universen. Er hätte sich die Zeit nehmen sollen, sich ein gescheites auszusuchen. Aber die Wahrscheinlichkeit, wieder in einer dieser kranken Welten oder in einem Flüchtlingsuniversum zu landen, war einfach zu groß gewesen. Deshalb saß er jetzt hier fest, gekettet an ein Baby, einen beschissenen Job und ein Gerichtsverfahren, während dem miesen kleinen Johnny Farmer das komplette Multiversum offenstand. Es war einfach nicht fair.
Prime zuckte zusammen. Da war irgendwas an der Tür. Er hatte etwas gehört, ein … Scharren? Sofort wusste er, dass es sich nicht um Casey handeln konnte. Seine Instinkte waren noch immer geschärft, ein Souvenir seiner interdimensionalen Abenteuer.
Abby fing an, im Schlaf zu wimmern und mit den Händchen um sich zu greifen. Voll aufs Lauschen konzentriert, strich Prime ihr sanft über den Rücken. Wenn sie bloß nicht wieder aufwachte – es würde eine zwanzigminütige Tortur bedeuten, sie wieder zum Schlafen zu bringen. Er erwartete, jeden Moment zu hören, wie sich ein Schlüssel im Schloss umdrehte oder jemand an die Tür klopfte. Aber es geschah
nichts. Vielleicht waren es nur die Nachbarn, die die Treppe hinuntergingen?
Die Holzbohlen vor der Wohnungstür knarrten. Wahrscheinlich Mr. Williams von oben. Und immer noch keine Spur von Casey. Verdammt, wo steckte sie nur?
Langsam, um Abby nicht aufzuschrecken, drehte sich Prime zum Fenster um und suchte die Straße ab. Er hörte, wie zwei Straßenblöcke weiter ein Motor angelassen wurde.
Plötzlich rasselte irgendetwas vor dem Fenster so laut, dass er zusammenfuhr. Abby schnaufte, schluchzte kurz auf und schlief weiter.
Sein Herz schlug immer schneller. So konnte er überhaupt nichts unternehmen: Mit dem Baby auf dem Arm war er wehrlos. Also ging er zur Couch und legte Abby vorsichtig darauf ab, in der Ecke zwischen zwei zerschlissenen Kissen. Sie konnte sich zwar schon fast rollen, aber die Couch war jetzt trotzdem die beste Wahl, denn ihr Bettchen stand drüben im Elternschlafzimmer. Abby räkelte sich, wachte aber nicht auf.
Schnell und so leise wie möglich huschte Prime zur Kochnische hinüber und holte ein Messer aus der Besteckschublade. Den Griff fest umschlossen, tastete er sich Schritt für Schritt ans Fenster und spähte ins Abendlicht hinaus.
Die Katze! Prime atmete tief aus. Draußen auf der Feuertreppe saß die getigerte Katze von nebenan und leckte sich zwischen den Beinen. Wütend schlug Prime mit der flachen Hand gegen die Fensterscheibe. »Kscht!« Sofort fuhr die Katze in die Höhe und verschwand. Doch gleichzeitig begann Abby zu schreien.
Fluchend rannte Prime zur Couch hinüber und nahm sie in die Arme. Aber Abby ließ sich nicht besänftigen, sondern brüllte ihm nur noch lauter ins Ohr. Und jetzt stieg ihm auch noch ein dezenter Geruch nach Fäkalien in die Nase. Wie konnte es anders sein: Sie hatte sich im Schlaf in die Hose
gemacht! Prime hielt Abby in die Höhe und inspizierte ihr Hinterteil. Um den Rand der Windel hatte sich ein Kranz brauner Flecken gebildet. »Scheiße!«, schrie er und schaute sich nach den Feuchttüchern um. Windeln, Feuchttücher und Ersatzmilch – dieses Zeug fraß seinen halben Lohn auf. Er wurde schon wütend, wenn er den Kram nur anfassen musste.
Abby legte keine Pause ein. Von dem Moment an, in dem er ihr den Strampelanzug aufknöpfte, bis zu dem Moment, in dem er ihn wieder zuknöpfte, schrie sie ohne Unterlass. Doch dann stieß sie einen mächtigen Seufzer aus und verstummte schlagartig. Als ob es nichts Wichtigeres gäbe, als einen sauberen Arsch zu haben!
»Na toll«, murmelte Prime.
Zur gleichen Sekunde drehte sich ein Schlüssel im Schloss. Er fuhr herum: Casey! Beide Hände voller Tüten ließ sie die Tür mit einem Tritt nach innen schwingen. Prime beäugte die Tüten missbilligend. Die meisten waren aus dem Supermarkt, aber eine trug das Logo einer nahen Buchhandlung: noch mehr Krimis! Für so etwas hatten sie doch wirklich kein Geld!
»Bin wieder da!«, rief Casey, als ob das nicht offensichtlich wäre.
»Aber ganz schön spät«, erwiderte Prime, bevor er sich beherrschen konnte. Eigentlich wollte er die Stimmung nicht schon wieder verderben.
Anscheinend ging es Casey genauso: Sie runzelte zwar kurz die Stirn, zwang sich dann aber zu einem Lächeln. »Hey, ich war einkaufen. Ach Gottchen, wie brav unsere Kleine ist!«
Prime blickte auf Abby hinab, die die letzte Viertelstunde durchgehend gebrüllt hatte. Jetzt
Weitere Kostenlose Bücher