Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe
spielte sie friedlich mit den Kordeln seines Kapuzenpullovers. »Aber erst seit einer Minute.«
Casey nahm ihm das Baby ab. »Wie? Papas kleine Tochter war böse zum Papa? Hm? Wirklich? Warst du soooo böse?«, gurrte sie in den höchsten Tönen.
Statt diesem Schauspiel länger zuzusehen, durchsuchte Prime lieber die Tüten nach Kassenzetteln. Einen fand er unter einem riesigen Stück Schweinefleisch. »Casey, wir können uns das nicht leisten!« Er kramte in der Tüte von der Buchhandlung und zog einen Krimi hervor. »Wie viele Bücher hast du jetzt wieder gekauft?«
»Was hast du denn?«, gurrte Casey. Offenbar hatte sie vergessen, die Tonlage wieder auf ihren Mann einzustellen. »Ich hab mich auf die lebensnotwendigen Dinge beschränkt. Fleisch und Krimis sind unverzichtbar.«
»Red nicht so mit mir!«
»Ruhig, sonst erschreckst du noch die Kleine.«
Prime starrte sie wütend an und begann, die Tüten aus dem Supermarkt Stück für Stück auszuräumen. Jedes Lebensmittel knallte er mit Nachdruck auf den Tisch.
»Meine Güte, warum bist du denn so wütend?«, fragte Casey.
»Weil du mich hier den ganzen Tag mit einem schreienden Baby hast sitzenlassen!«
»Das ist nicht irgendein Baby, John, das ist deine Tochter.«
»Ach, manchmal würde ich am liebsten …«
»Abhauen? Einfach alles hinschmeißen, was? Ist es das? Tu nicht so überrascht – das ist mir schon lange klar. Du denkst, ich hab dich reingelegt. Aber das kannst du mir glauben, ich hatte nie vor, als Teenie schwanger zu werden. Ich wollte auf die Uni gehen, verdammt nochmal! Aber was soll man machen? Wir können Abby doch nicht einfach aussetzen! Wir sind hier, Abby ist hier, das ist nun mal unser Leben!«
»Als ob ich das nicht wüsste! Schließlich hab ich mich dafür entschieden, hier …«
»Ach, gab es denn noch andere Angebote, außer mir und dem Kind? Was denn zum Beispiel?« Nun war auch Casey zum Brüllen übergegangen. Abby hatte schon längst damit angefangen.
»Nein! Das hab ich doch gar nicht gemeint!«
»So? Und was dann?«
»Ich …«
Als draußen irgendetwas polterte, wirbelte Prime herum und blickte zur Feuerleiter hinüber, doch diesmal war sie leer.
»Da war was an der Tür«, sagte Casey.
»Bist du dir sicher?«
Ohne zu antworten, ging Casey mit Abby auf dem Arm zur Wohnungstür und drehte den Knopf herum. Quietschend schwenkte die Tür nach innen. Vor Casey lag der leere Gang. »Ist da wer?« Sie blickte zu Boden und schrie auf.
Prime sprang über einen Stuhl, der im Weg stand, und schob Casey beiseite. Er war bereit, es mit allem und jedem aufzunehmen.
Aber es war niemand da. Der Gang war vollkommen leer – bis auf den nassen, pelzigen Haufen vor der Türschwelle: die getigerte Katze. Ihr Fell war von Blut durchtränkt, der Schädel seltsam verdreht. Die Schnauze zeigte in die falsche Richtung. Sie war tot. Als Prime die Katze mit dem Fuß anstupste, rutschte sie auf die Seite, und es wurde ein Stück Draht sichtbar, das um ihren Hals geschlungen war.
»John, John, John«, jammerte Casey.
Er drehte sich um und sah ihr in die Augen. »Das soll eine Warnung sein. Geh mit Abby ins Schlafzimmer. Verriegel die Fenster und sperr die Tür ab. Schnell!«
Casey nickte und floh mit der wimmernden Abby ins hintere Zimmer.
Primes Herz raste. Casey war vor gerade mal fünf Minuten eingetroffen. Also war die Katze vor fünf Minuten noch
nicht da gewesen. Wer auch immer das getan hatte, wartete wahrscheinlich irgendwo in der Nähe, um zu sehen, wie Prime reagierte: ob er sich zeigte, ob er sich versteckte, ob er Angst hatte oder wütend war.
Wer auch immer?
Prime wusste genau, wer da draußen auf ihn lauerte: Ted Carson. Der einzige Tierquäler, den er kannte.
»Verdammte Scheiße«, fluchte er, während er das Treppenhaus hinunterspähte. War die Haustür zugefallen, seitdem Casey und er das Gepolter gehört hatten? Er konnte sich nicht daran erinnern. Es war nicht auszuschließen, dass sich Carson immer noch im Haus befand. Vielleicht versteckte er sich ja oben auf der Treppe, die zum Speicher führte. Oder wartete er unten vor dem Haus?
Prime zog sich in die Wohnung zurück und klemmte den Kleiderständer in den Türspalt. Ohne die Tür aus den Augen zu lassen, ging er rückwärts zur Kochnische, tastete blind nach dem Messerblock und zog das längste Messer heraus. Das Messersortiment war ein Geschenk seiner Eltern: harter, scharfer Stahl.
Die Klinge auf Brusthöhe von sich gestreckt, schlich er zurück zur
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