Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe
nahm Grace die Zeichnung aus der Hand und knurrte bestätigend. »Mechanische Werkstatt.«
»Du sagst es«, pflichtete ihm Grace bei. »Wir brauchen etwas Zeit an der Drehmaschine, und das Lötzeug brauchen wir auch.«
Während John, Grace und Henry um ihren Tisch im Labor herumstanden, drangen laute Stimmen und das Klirren und Klappern von Werkzeugen durch den Raum. Das durchdringende Surren irgendeines Apparats ließ den Boden erzittern. Ursprünglich hatte Casey mitkommen wollen, doch im letzten Moment hatte sie es sich anders überlegt. »Ihr seid für die technische Seite zuständig, ich mach den Rest«, hatte sie gesagt. John fragte sich nur, was das für ein Rest sein sollte – und wieso Casey plötzlich Teil des Teams geworden war.
»Warum heißt es eigentlich ›Flipper‹?«, fragte Grace. »Mit Delfinen hat es jedenfalls wenig zu tun.«
»Wir können’s ja Stahlball nennen«, schlug Henry vor.
»Keine Ahnung, warum es Flipper heißt.« John zuckte mit den Achseln. »Es heißt halt so.«
»Na ja, vielleicht kommen wir drauf, während wir an dem Ding arbeiten.« Grace schaute sich um, als suchte sie jemanden. »Wo ist eigentlich Casey? Alles in Ordnung zwischen euch beiden?«
»Was? Wieso fragst du das? Sie hat eben zu tun, alles klar? Warum sollte es zwischen uns nicht okay sein?«
Als Grace ihm einen seltsamen Blick zuwarf, wurde ihm klar, dass er sie angeschrien hatte. »Tut mir leid. Ich wollte nicht so laut werden.«
»Schon gut.«
»Moment mal«, sagte Henry plötzlich und verschwand im Lagerraum nebenan. Ein paar Sekunden lang hörte es sich so an, als rollten Fässer herum. Gleich darauf tauchte Henry mit einer riesigen Holzfaserplatte auf. John musste mit anpacken, um sie auf den Tisch zu wuchten.
»Dürfen wir das denn einfach so verwenden?«, fragte John, während er die Platte mit dem Blick maß. Sie hatte tatsächlich in etwa die richtige Größe für das Spielfeld.
»Was da drin ist, ist zum Abschuss freigegeben«, meinte Grace.
John zog ein Maßband aus der Tasche und skizzierte ein Rechteck von einem Meter Breite und zwei Metern Länge. Probeweise hielt er die Hände an den Rand der Schmalseite und betätigte zwei imaginäre Flipperhebel. Möglich, dass die Platte ein bisschen zu breit war. »Wir werden die Oberfläche lackieren müssen, damit sie schön glatt ist. Und ein bisschen Farbe wäre auch nicht schlecht.«
In der unerschöpflichen Rumpelkammer hatte Henry auch noch einen groben Holzklotz aufgetan. Nun schob er ihn unter die eine Seite der Platte, so dass sie in einem Fünfgradwinkel zum Tisch stand. Mit breitem Grinsen holte er danach eine Stahlkugel von etwa zwei Zentimetern Durchmesser
aus der Tasche und hielt sie an den oberen Rand der Platte. »Bereit?«
John und Grace nickten.
Als Henry die Kugel losließ, rollte sie die schiefe Ebene herunter, wurde immer schneller und flog schließlich direkt in Johns Handfläche.
»Cool!«, rief Henry.
Grace war sichtlich entzückt. »Ach, ich liebe potenzielle Energie einfach.«
Auch John grinste über beide Ohren. Natürlich war das noch kein vernünftiger Test gewesen, kein Prototyp, auf den man sich in irgendeiner Weise verlassen konnte, aber die Physik tat ihren Dienst. Es konnte klappen.
Das Abendessen ließen sie aus. Als John, Grace und Henry von ihren Zeichnungen und Teilelisten aufblickten, war das Labor verwaist. Erst nachdem sie sich darauf geeinigt hatten, jeden Tag nach dem Unterricht an dem Flipper zu arbeiten, gingen sie ihrer Wege.
John eilte in sein Apartment, steckte das Gerät in die Tasche und kehrte auf direktem Weg ins Labor zurück. Da Casey an diesem Abend keine Zeit hatte, war er entschlossen, endlich sein eigentliches Projekt in Angriff zu nehmen. Er hatte es ohnehin viel zu lange aufgeschoben.
Als er die Labortür aufschloss, lag der Raum dunkel und verlassen vor ihm. Er war froh über den eigenen Schlüssel, denn so konnte er kommen und gehen, wann er wollte. Zur Sicherheit lief er die gesamte Länge des Labors ab, aber es war wirklich völlig menschenleer.
Vor einer Reihe Lichtmikroskope blieb er stehen. Sein Finger zitterte leicht, als er das erste davon einschaltete. Er setzte sich, zog das Gerät aus der Tasche und platzierte es unter dem Mikroskop. Zwar erreichte er durch das Lichtmikroskop nur eine geringe Vergrößerung, aber gegenüber der Lupe war es allemal ein Fortschritt.
John suchte die silbrig graue Oberfläche des Geräts systematisch ab. Jede Kleinigkeit interessierte
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