Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe
ihn, jede noch so unscheinbare Auffälligkeit. Zentimeter für Zentimeter zog die graue Fläche an seinem Auge vorbei.
Die eine Hand am Okular, fertigte er mit der anderen eine Detailskizze der Bedienelemente an. Doch selbst mit Hilfe des Mikroskops sah er nichts, was er nicht schon längst kannte.
John drehte das Gerät auf die Seite. Den Rand entlang verlief eine haarfeine Linie. Hatte man das Gerät an dieser Stelle zusammengesetzt? Langsam ließ er die Linie unter dem Mikroskop durchlaufen. Sie war immer exakt gleich dünn, doch dann entdeckte er die Kratzer. Sie waren winzig, strahlten jedoch zu Dutzenden von einem bestimmten Punkt an der Naht aus, als ob jemand versucht hätte, das Gerät an dieser Stelle aufzustemmen. Aber warum?
Als sich die Labortür plötzlich öffnete, sprang er von seinem Stuhl auf.
»Oh, hallo! Da ist aber jemand spät bei der Arbeit!«, rief eine Stimme vom Eingang her.
Kurz dachte John daran, das Gerät schnell zu verstecken, aber damit würde er sich erst recht verdächtig machen. Stattdessen drehte er sich mit einem gezwungenen Lächeln um und sah Professor Wilson an, der in der Tür stand.
John räusperte sich. »Äh … ja … viel Arbeit.« Bisher hatte er kaum mit seinem Supervisor zu tun gehabt, und jetzt war der denkbar schlechteste Zeitpunkt, die Bekanntschaft zu vertiefen.
»Sie sind doch mein Namensvetter, oder? Der andere Wilson?«
»Ja, genau.« Zum tausendsten Mal bereute John, sich bei der Begegnung mit seinem Quasi-Vater ausgerechnet diesen Namen ausgesucht zu haben.
»Und, womit beschäftigen Sie sich gerade?«
»Es ist nichts Wichtiges.«
Wilson ging einige Schritte auf ihn zu und spähte um John herum auf das Gerät. Nachdem er es eine Zeit lang betrachtet hatte, nickte der Professor nachdenklich. Um möglichst unverdächtig zu wirken, verzichtete John darauf, irgendetwas zu erklären oder das Gerät einzustecken.
»Wie geht es Ihnen eigentlich mit Ihren Kursen?«, fragte Wilson. »Sie sind doch Quereinsteiger, oder? Ich erinnere mich an unser Gespräch … Hatten wir nicht gewisse Zweifel, ob Sie mit der grundlegenden Physik klarkommen würden?«
John biss sich auf die Zunge. Diese Zweifel hatten nur Wilson geplagt. »Es läuft ganz gut. Einser in allen Prüfungen und im Laborkurs.«
»Das ist gut, sehr gut.« Erneut blieb Wilsons Blick an dem Gerät hängen. »Lassen Sie sich nicht stören.«
Der Professor ging zu einem der Labortische auf der zentralen Arbeitsfläche und steckte einen undefinierbaren Gegenstand ein. John konnte es nicht erwarten, dass er endlich den Raum verließ. Kaum war Wilson aus der Tür, packte er das Gerät ein und machte sich aus dem Staub.
Nach und nach verwandelte sich die Holzfaserplatte in den Prototypen eines Flippers. Henry trieb ein Dutzend weitere Kugeln in einem Laden für Industriebedarf auf, John schnitzte Flipperhebel aus Holz und brachte sie so an, dass man sie an der Unterseite der Platte betätigen konnte. Das war zwar anstrengender, als mit elektromechanischen Flipperhebeln zu spielen, aber es funktionierte, wie es sollte. Als er die kleinen Hebel mit Raspel und Feile formte, merkte er, dass er sich nicht an seine Erinnerungen halten musste – vielmehr konnte er Länge und Form variieren, wie er wollte.
Zum Ende der Woche war der Prototyp fertig: ein großer, klobiger Klotz, der einem das Spielen nicht gerade leicht
machte. Tatsächlich war es eine echte Schufterei, aber eine Schufterei, die großen Spaß bereitete. Am Abend taten Johns Handgelenke weh, da er den ganzen Nachmittag auf die Flipperhebel eingedroschen hatte. Die restliche Zeit verbrachte das Team – John, Henry und Grace – mit Diskussionen über die einzelnen Teile und ihre Funktionsweise. Casey hatte mit einem anderen Projekt zu tun. Zwar schaute John immer wieder zur Tür, in der Erwartung, sie doch noch auftauchen zu sehen, aber sie kam nicht. Beim nächsten Treffen brachte er einen federgetriebenen Kugelabzug an, damit man die Kugel nicht immer eigenhändig auf die Platte setzen musste.
»Das macht viel mehr Spaß als diese ganzen Videospiele!«, rief Grace begeistert, wobei sie sich natürlich vor allem auf den primitiven Breakout-Klon von Electrux bezog, der im Studentenwerk herumstand.
Aber John war noch nicht zufrieden. »Der Prototyp beweist nur, dass die Grundidee funktioniert. Jetzt müssen wir dem Ganzen etwas mehr Schwung verleihen, sozusagen.«
»Was für ein Wortspiel …«
»Grace«, sagte John ernst, »konstruier
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