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Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe

Titel: Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Melko
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Kannst du mir vielleicht helfen?«
    »Klar, kein Problem«, antwortete der Student mit deutlichem osteuropäischen Akzent.

    John zeigte ihm das Spektrum. »Welche Isotope haben ein Maximum bei 510 keV?«
    Der Student musste nur einen kurzen Blick auf das Spektrum werfen. »Keine. Das hier ist Paarvernichtung.«
    »Paarvernichtung?«
    »Genau. Photonen interagieren über drei Mechanismen …«
    »Photoelektrischer Effekt, Compton-Effekt und Paarbildung! Natürlich!« John musste lachen, als ihm plötzlich klarwurde, was er hier vor Augen hatte.
    »Ich bin übrigens Alex Cheminov. Du kennst dich aus. Kein Problem, aus dir ordentlichen Kernphysiker zu machen.«
    »John Wilson.« Er schüttelte Alex die Hand. »Wenn weitere Fragen auftauchen, könnte ich dann …«
    »Klar!«
    Jetzt wusste John, dass das Maximum bei 510 keV, genauer gesagt bei 511 keV, von den Photonen herrührte, die entstanden, wenn ein Positron auf ein Elektron traf und unter Abgabe einer gewissen Strahlung verschwand: Es ging um zwei Photonen mit einer identischen Energie von 511 keV. Was er auf dem Spektrum sah, waren die Gammastrahlen, die als Nachhall einer Paarbildung in Materie auftraten. Dazu kam es aber nur, wenn die Photonen hochenergetisch waren. Nur in diesem Fall zerfielen Gammastrahlen spontan in ein Elektron und ein Positron, also Antimaterie, sobald sie sich einem Kern näherten. Das Positron war dann frei und verlangsamte sich, bis es ein anderes Elektron fand, mit dem es interagieren und im Zuge der Paarvernichtung wiederum Photonen bilden konnte. Deren Strahlung zeigte sich schließlich auf dem Spektrum.
    John hielt inne. Die Strahlung der Paarvernichtung stand am Ende einer Reaktion. Andere Interaktionen mussten ihr vorausgehen. Er hätte also zumindest noch ein weiteres,
höheres Maximum sehen müssen. Aber da war nichts. Seltsam. Es sei denn, das Positron wurde gar nicht durch Paarbildung erzeugt. Es sei denn, es gab eine andere Positronenquelle. Es sei denn, im Inneren des Geräts befand sich Antimaterie – Antimaterie als Energiequelle.
    Das war es! Alles passte ins Bild: Das Reisen zwischen den Universen musste eine Menge Energie verbrauchen. Und welcher Energiespeicher wäre schon kompakter und effektiver als Antimaterie? Die Hypothese war stimmig: Das Gerät wurde durch Antimaterie angetrieben!
    Einmal mehr siegte das Schwert der Wissenschaft über die Mysterien des Geräts.
    »Ich hab’s!«, rief John, und weil er mitten im Labor stand, blickte nicht einmal jemand auf.
     
    Als John Caseys Lächeln sah, machte sein Herz einen Sprung. Sie standen am Rand einer Schlucht im Old Shady Park. Hier hatte sich das Wasser fünfzehn Meter tief in den felsigen Grund gegraben; die Erde war schon vor langer Zeit von den Gletschern abgetragen worden. Herbstliche Blätter flatterten durch die Luft, ein Mosaik aus Braun-, Rot-, Orange- und Gelb-Tönen bedeckte den Boden.
    Heute trug Casey kein Make-up. Ihr Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden. Sie war die schönste Frau, die John jemals gesehen hatte, und er verfluchte sich dafür, dass er sie so sehr begehrte. Denn eines Tages würde er dieses Universum verlassen und nie mehr zurückkehren.
    »Komm, gehen wir runter«, sagte Casey, doch als sie seinen Blick bemerkte, blieb sie stehen. »Ist irgendwas? Du siehst so … nachdenklich aus.«
    »Ist schon in Ordnung.«
    Eine grobe Treppe führte zum Grund der Schlucht. Das feuchte Eisengeländer lag angenehm kühl in Johns Hand.
An sich waren die Stufen einfach in den Stein gehauen, aber hier und da hatte man sie mit Zement ausgebessert. Trotzdem musste man aufpassen, wo man hintrat, da überall nasses, glitschiges Moos wucherte.
    Casey rutschte aus, atmete scharf ein und fasste Johns Hand. Er spürte, wie die Anspannung aus ihrem Körper wich, als sie sich an ihn lehnte.
    »Danke«, sagte sie.
    »Kein Problem.«
    So früh am Morgen an einem Wochentag war der Park menschenleer. Casey hatte ihre Vorlesung über psychologische Randphänomene ausfallen lassen, und John hatte am Mittwochvormittag sowieso keine Veranstaltungen. Außerdem hatte Casey darauf bestanden, mal wieder etwas Besonderes miteinander zu unternehmen.
    Neben dem Geländer raschelte etwas. Ein Streifenhörnchen steckte den Kopf zwischen den Blättern hervor, guckte John und Casey misstrauisch an und sauste in Sekundenschnelle davon.
    »Schau mal«, sagte Casey, aber da war das Tier schon irgendwo in einem Loch verschwunden.
    Als sie unten angekommen waren,

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