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Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe

Titel: Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Melko
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schien der U-förmige Wasserfall direkt auf sie herabzuströmen. Das spärliche Wasser plätscherte in ein kleines Becken aus rostfarbenem Stein. John blickte in das Wasser hinauf, das auf ihn hinabregnete, zu den Bäumen und in den wolkigen Himmel. Die Feuchtigkeit juckte ihn in der Nase.
    »Ich krieg langsam Platzangst!« Caseys Stimme hallte aus der Höhle hinter dem Wasserfall wider.
    John sprang über das Rinnsal. Die Felswände der Aushöhlung waren mit Graffiti beschmiert, eine Ansammlung leerer Bierdosen lag hinten in der trockenen Grotte. Offenbar trafen sich die Jugendlichen der Stadt an diesem abgeschiedenen Ort.

    Casey machte ebenfalls einen Satz über das Bächlein, kam neben John zum Stehen und schmiegte sich an ihn. »Die Leute sind so dumm. Schau dir das mal an.« Sie zeigte auf den Müllberg.
    »Ja.« John inspizierte die Höhle. Über die Jahre hatte das Wasser den Boden glatt und flach gewaschen. Bei starkem Regen füllte es sicher den ganzen Hohlraum aus.
    »John.«
    Er drehte sich um. Casey stand ein paar Meter hinter ihm, die Hände in den Hosentaschen.
    John blickte sie an.
    »Es tut mir wirklich leid, dass ich dein Tagebuch gelesen hab«, sagte Casey. »Das hätte ich nicht tun sollen. Ich weiß, dass es ziemlich unverschämt war.«
    Ein Schulterzucken war alles, was John einfiel. Er wollte nicht über dieses Thema reden und hatte bereits gehofft, Casey hätte es vergessen.
    »Ehrlich«, beharrte sie, »es tut mir wirklich leid.«
    John nickte nur.
    »Nimmst du meine Entschuldigung nicht an?«
    »Doch, doch, natürlich.« John dachte schon, Casey werde weiter auf ihn einreden, aber sie schien sich mit seiner Antwort zufriedenzugeben.
    Nach kurzem Schweigen schlug Casey einen anderen Ton an. »Also, bist du bereit für eine weitere Begegnung mit meinen Eltern?«
    »Wieso?«
    »Thanksgiving. Du bist zum Essen eingeladen.«
    Thanksgiving war schon in ein paar Wochen. »Casey, ich glaube nicht, dass …«
    »Du musst aber. Meine Eltern würden dich halt gern wiedersehen. Vor allem, da sie Jack nie besonders leiden konnten.«
    John seufzte. »Nein, ich kann nicht kommen.«
    »Wohin willst du dann? Du hast doch keine Familie …«

    »Zu den Rayburns.«
    »Mit denen bist du doch nicht mal verwandt.«
    John spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht stieg, aber statt ebenfalls laut zu werden, hielt er sich bewusst zurück. »Hör mal. Ich will deine Eltern nicht besuchen. Ich will Thanksgiving nicht mit euch verbringen.«
    »Du willst n…« Mehr brachte Casey nicht heraus.
    »Nein. Ich muss mich um den Flipper kümmern.«
    »Den Flipper?«
    »Ja.«
    »Das soll doch wohl ein Witz sein, nicht? Du willst lieber mit deinen Freunden an diesem Ding herumbasteln, als mit mir zusammen zu sein?«
    »Ich dachte, dir liegt auch etwas an diesem ›Ding‹?«
    Casey rollte die Augen. »Wenn ich da nicht mitmachen würde, bekäme ich dich ja überhaupt nicht mehr zu sehen. Eins von beidem ist es doch ständig: der Flipper oder was auch immer du da in dieser Kiste versteckst.«
    »Vorsicht!«, rief John. Ihm war gar nicht klar gewesen, dass Casey von der Kassette wusste.
    »Ich gehöre gar nicht zu den wirklich wichtigen Dingen in deinem Leben!« Caseys Stimme war voller Bitterkeit. »Du lässt niemanden richtig an dich heran.«
    »Das ist nicht wahr!«
    »Dann sag mir, was in der Kiste ist!«
    John blieb stumm.
    »Was?«
    »Es … es ist nicht wichtig. Casey, das ist alles so neu für mich. Ich hatte … Ich war noch nie jemandem so nahe.«
    »Das bist du auch jetzt nicht!« Aus Caseys Augen rannen Tränen.
    »Ich … ich hab einfach keine Erfahrung mit so was! Ich will dich nicht verletzen oder wütend machen oder irgendwelche wichtigen Dinge vor dir verstecken. Aber …«

    »Aber du tust es trotzdem.«
    »Casey, sei bitte nicht unfair!«
    »Ich?« Sie stieß ein scharfes Lachen aus. »Hallo, ich bin deine Freundin! Schon vergessen? Wir sollten uns über die wichtigen Dinge im Leben austauschen. Wir sollten zusammen sein. Auch an Thanksgiving!«
    »Gut, dann komme ich eben zu Thanksgiving zu euch.«
    »Zu spät. Das Angebot steht nicht mehr.«
    »Jetzt sei nicht so kleinkariert!«
    »Du willst doch nur kommen, weil ich geheult hab. Und nicht, weil du wirklich willst.«
    »Lass diese Spielchen! Hör auf, mich unter Druck zu setzen! Darf ich denn gar nicht mehr mitentscheiden, was ich tue und lasse? Wenn ich keine Lust hab, zu Thanksgiving bei deinen Eltern aufzukreuzen, solltest du mich auch nicht dazu zwingen!«

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