Die Maurin
geändert, und es ist gut, dass auch Hassan dies endlich erkennt. Wir müssen uns gegen die Kastilier erheben, wenn wir von ihnen nicht immer mehr in die Enge getrieben werden wollen! Habt Ihr schon vergessen, dass unseren Vätern einmal das ganze Land mit Córdoba als blühender Hauptstadt gehört hat? Vor fünfhundert Jahren war Córdoba eine dichtbevölkerte Stadt mit über vierhundert Moscheen, sechshundert öffentlichen Bädern und zahllosen Medressen, deren Bibliotheken Tausende von Büchern beherbergten – und wie sieht es dort aus, seit die Kastilier es zurückerobert haben? Und dann die Schikanen und Erniedrigungen, die unsere Landsleute, die dort trotz allem weiter leben, seither ertragen müssen! Soll eines Tages auch Granada dieses Schicksal ereilen? Außerdem hat der Emir für morgen eine Versammlung einberufen.«
»Er hätte sich vorher mit uns beraten müssen«, beharrte Abdarrahman. »Die Tributzahlungen tun uns nicht weh, der Tod unserer Söhne dagegen sehr!«
»Das sieht die Mehrheit der Bewohner Granadas mittlerweile anders«, behauptete Yazid. »Vergesst nicht, wie oft die Kastilier in den letzten Monaten in die Vega eingefallen sind und wie viele Tote und welch grauenhafte Verwüstung sie dort hinterlassen haben. Das kann niemand länger hinnehmen wollen!«
Atemlos verfolgte Zahra das Gespräch zwischen ihrem Vater und Yazid. Sie sah, wie Raschid sein Messer ablegte und sich seinem Halbbruder zuwandte.
»Vater hat recht«, meinte er. »Wir können einen Krieg derzeit nicht gewinnen. Man darf Isabel nicht unterschätzen, nur weil sie eine Frau ist. Sie ist eine sehr starke Königin, und es ist eine unbestrittene Tatsache, dass sie in den wenigen Jahren, die sie erst regiert, ihr Land schon deutlich mehr in den Griff bekommen hat als ihr verstorbener Halbbruder Enrique [1] . Außerdem ist ihr Gemahl ein kluger Stratege und erfahrener Heerführer!«
»Das war ja zu erwarten, dass du dich auf die Seite der Christen schlägst.« Yazid maß ihn mit einem abfälligen Blick. »Aber wie solltest du auch nicht: Du bist ja selbst ein halber!«
»Solche Sätze will ich hier nicht hören!« Abdarrahman warf seinem Ältesten einen warnenden Blick zu. »Raschid ist ebenso ein Moslem wie du und seine Mutter, seit sie zu unserem Glauben übergetreten ist!«
Zahra sah, wie er ihrer Mutter zunickte, die ihm mit einem feinen Lächeln dankte. Aber auch für Yazid hatte ihre Mutter ein Lächeln. Zahra bewunderte sie für den Gleichmut, den sie gegenüber den Attacken ihres Halbbruders ob ihrer Herkunft an den Tag legte. Friede, einfach nur Friede, wenigstens hier in unserem Haus, das war alles, was in den Augen ihrer Mutter zu lesen war.
»Raschid ist ein Feigling – wie alle Christen!«, hetzte Yazid weiter.
Raschid schoss von seinem Platz hoch, doch Abdarrahman packte ihn am Arm und drückte ihn zurück. »Du bleibst sitzen!«, befahl er ihm. »Und du, Yazid, mäßigst deine Worte! Ich will nicht, dass ihr den Krieg zwischen den Mauren und Christen in unser Haus tragt, noch ehe er begonnen hat.«
»Dieser Krieg wäre auch für uns ein großes Unglück«, warf Deborah schüchtern ein. Wie alle Juden hatte auch sie viel von den Gewalttätigkeiten und Verfolgungen der Kastilier gegen ihre Glaubensbrüder gehört und fürchtete nichts mehr, als dass die Christen in das Maurenreich eindringen und sie des Schutzes, den die Mauren ihnen boten, berauben könnten.
Yazid sah sie an und verspürte nicht zum ersten Mal eine ihm fast die Sinne raubende Lust, dieses scheue Reh einmal unter sich liegen zu haben und ihr zu zeigen, wie sich ein echter Maure anfühlte, ehe Raschid nach ihrer Hochzeit seinen schwachen Christenschwanz in sie steckte. Noch ehe er etwas erwidern konnte, ergriff Hayat das Wort.
»Ein Krieg wäre für uns alle ein Unglück!«, sagte sie und blickte Yazid direkt an. »Und das sage ich nicht, obwohl, sondern gerade weil in meinen Adern maurisches Blut fließt. Nur der Friede sichert uns allen ein gutes Auskommen.«
»Allmählich frage ich mich, in was für einem Haus ich hier eigentlich lebe. Verräter am wahren Glauben seid ihr, ihr alle miteinander. Aber was will man auch anderes von einem Haus erwarten, in das eine christliche Sklavin einheiraten durfte!«
Ohne Vorwarnung klatschte Yazid der Handrücken seines Vaters ins Gesicht. »Dergleichen will ich nie wieder von dir hören!«
Es folgte ein Moment völliger Stille. Mit vor Zorn sprühenden Augen starrte Yazid seinen Vater an und
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