Die Maurin
will. Zudem soll er uns bei den Kämpfen gegen seinen Vater und az-Zagal unterstützen. Der zweijährige Waffenstillstand, mit dem er Boabdil das ganze Abkommen versüßen will, ärgert mich zwar ein bisschen, aber er betrifft ja nur dessen Land und nicht das Hassans und az-Zagals. Und dass wir ihm dabei helfen, die Gebiete, die er während seiner Gefangenschaft verloren hat, zurückzuerobern, ist auf lange Sicht auch nur unser Vorteil. Sobald Hassan ausgeschaltet ist, können wir Boabdil abdanken lassen – und dann gehört unser Land endlich wieder uns!«
Je länger Don Juan redete, desto elender wurde Gonzalo zumute. Trotzdem gelang es ihm, ein halbwegs überzeugendes Lächeln aufzusetzen. »Ja, jetzt geht es aufwärts mit unserem Königreich!«
»Und ob«, strahlte sein Landsmann. »Und nun werde ich mit meiner Truppe einen weiteren kleinen Plünderungszug durchführen, damit wir nicht aus der Übung kommen. Wie unsere Spitzel herausgefunden haben, traut sich Hassan kaum noch aus der Stadt, da er befürchtet, dass er bei seiner Rückkehr die Stadttore verschlossen vorfindet und sich seinen Weg in die Alhambra wieder erkämpfen muss. Wir sollten in seinem Land also ein lustiges Wüten haben. Wenn Ihr wollt, bringe ich Euch ein paar Andenken mit!«
»Dann auf ein gutes Gelingen!« Gonzalo nickte ihm zu.
»Santiago wird wie immer mit uns sein!« Don Juan schwang sich auf sein Pferd und ritt mit übermütigem Lachen aus dem Stall. Gonzalo sah zu, wie der Staub, den die Pferdehufe aufgewirbelt hatten, allmählich im Sonnenlicht wieder zu Boden sank, und fühlte sich so elend, dass er sich setzen musste.
Auch im Albaicín, Aischas neuem Wirkungskreis, lösten die Forderungen für Boabdils Freilassung Bestürzung aus. Aischa reichte das Schriftstück zwischen den wenigen Getreuen herum, die ihr geblieben waren.
»Das kann doch nicht Isabels Ernst sein«, empörte sich Ismail und knallte das Dokument neben sich auf den Boden. »Wenn wir dem zustimmen, ist Boabdil nur noch eine Marionette der Christen!«
»Aber wir haben keine Wahl«, stöhnte Aischa, »denn wenn Boabdil nicht zurückkehrt, verlieren wir alles. Ihr seht doch, wie sich unsere Reihen von Tag zu Tag lichten!«
Ihre Worte lösten eine heftige Debatte aus, die immer wieder in dem Punkt mündete, dass sie in der Tat keine andere Möglichkeit hatten, als die Bedingungen der Kastilier anzunehmen.
»Seid Ihr denn sicher, dass Boabdil diesen Forderungen zustimmen wird?«, warf Zahra schüchtern ein. Für sie war es noch ganz ungewohnt, dass sie nun an allen Versammlungen teilnehmen und sich mit Aischas ausdrücklicher Erlaubnis auch äußern durfte. Bisher hatte sie dies kaum gewagt, weil sie viel zu viel Angst hatte, vor den weisen Faqihs und Wesiren etwas Dummes zu sagen. Aber jetzt war ihre Besorgnis zu groß, als dass sie hätte schweigen können.
Aischas Miene verhärtete sich. »Da Boabdil uns diese Komplikationen selbst beschert hat, wird ihm nichts anderes übrigbleiben!«
Zahra empfand das als ungerecht. Schließlich hatte Boabdil angesichts der damaligen politischen Lage keine andere Wahl gehabt, als in diese Schlacht zu ziehen. Nicht nur seine Berater, sondern auch Aischa selbst hatten ihn letztlich dazu gedrängt, und seine Gefangennahme hatte er kaum absichtlich herbeigeführt. Boabdil ist nicht zu beneiden, schoss es Zahra nicht zum ersten Mal durch den Kopf, sein ganzes Leben lang schon gerät er von einer Zwangslage in die andere und muss sich ständig den Gegebenheiten fügen, auch wenn sein Herz und sein Verstand ihm etwas ganz anderes raten. Sie verfolgte stumm die weitere Diskussion, in deren Verlauf sich alle Berater Aischas Meinung anschlossen.
Man hatte keine Eile, den christlichen Königen die Antwort zu übermitteln. Sollten sie ruhig zwei oder drei Wochen warten. Eine übereilt zugestellte Zusage hätte nur ihre Angst verraten, sich in Granada nicht mehr lange ohne Boabdils Einfluss gegen Hassan behaupten zu können. Als der letzte der Weisen den Besprechungssaal verlassen hatte, blickte Zahra zu Aischa.
»Ich weiß, was du denkst«, sagte sie leise. »Aber auch ich kann nicht immer, wie ich will!«
Zahra fragte sich, ob dies eine Art Entschuldigung dafür war, dass sie ihrem Sohn vor ihren Beratern in den Rücken gefallen war, konnte aus Aischas Miene aber nichts herauslesen. Die Sultanin erhob sich und trat an eines der Fenster. Der Ausblick von hier war bei weitem nicht so erhebend wie der vom Comaresturm. Man schaute
Weitere Kostenlose Bücher