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Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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auf die Dächer der umliegenden Häuser und Paläste, sah aber nichts von der Weite, Schönheit und Fruchtbarkeit des Hinterlands. Rasch wandte sich Aischa wieder ab. »Jetzt muss ich wohl mit Morayma reden.« Ihr entfuhr ein Seufzer. »Beim Allmächtigen, wenn ich an den Tränenfluss denke, mit dem sie mich begießen wird, wenn sie hört, dass Ahmed gegen Boabdil ausgetauscht werden muss, packt mich schon jetzt das Grauen!«
    Wieder fand Zahra sie ungerecht, wobei sie ahnte, dass es auch Aischa schwerfiel, ihren Enkel, dem sie sich seit seiner Geburt vor zwei Monaten mit liebevoller Aufmerksamkeit gewidmet hatte, den Christen zu überlassen, und sie auch ihre eigene Erbitterung überspielen wollte.
    »Vielleicht könnt Ihr wenigstens erreichen, dass Ahmeds Amme mitgehen darf. So hätte er nicht nur fremde Menschen um sich«, meinte Zahra, der beim Gedanken an Ahmed ebenfalls das Herz schwer wurde. Wie jeder im Palast war auch sie in den kleinen Thronprinzen vernarrt.
    »Die Amme, ja«, gab Aischa nachdenklich zurück. »Aber er müsste auch jemanden haben, der ihn anleiten könnte und sein Vertrauter wäre! Wir wissen nicht, wie lange sich seine Geiselnahme hinziehen wird, und müssen verhindern, dass er über Jahre nur die Ansichten der Christen über uns, unser Land und unseren Glauben hört.«
    »Vielleicht würden die Christen einen Erzieher für ihn akzeptieren«, erwiderte Zahra nachdenklich.
    Aischa schüttelte den Kopf. »Einen Erzieher sicher nicht, aber vielleicht eine vermeintlich harmlosere Variante wie ein Kindermädchen. Wir könnten anführen, dass sie Ahmed unsere Sprache beibringen soll, was auch den christlichen Königen als legitime Bitte erscheinen sollte.« Sie richtete ihren Blick auf Zahra.
    »O nein«, rief Zahra entsetzt. »Nein, Herrin, nicht ich! Und ich habe doch auch gar keine Erfahrung mit Kindern und …«
    »Aber dir liegt etwas an Ahmed und an unserem Reich. Und du bist überdies klug genug, um alles, was du am Hof hörst, einzuordnen. Gewiss fändest du Mittel und Wege, um uns Nachrichten zukommen zu lassen!«
    Zahra wurde der Brustkorb eng. »Herrin, bitte, Ihr habt eben doch selbst gesagt, dass Ahmed womöglich über Jahre bei den Christen bleiben muss!«
    »Hast du jetzt doch Angst, irgendwann zu alt zu sein, um noch einen Mann abzukommen?«
    Der Spott in Aischas Stimme verletzte Zahra ebenso wie die Unterstellung.
    »Jetzt sieh mich nicht so empört an«, gab Aischa mit einem beschwichtigenden Lächeln zurück. »Und wenn es nicht die Angst ist, als alte Jungfer zu enden, sehe ich kein Hindernis, dass du diese Aufgabe übernimmst!«
    »Aber …«, begann Zahra, doch Aischa hob die Hand. »Nein, kein Aber, Zahra. Wir alle müssen Opfer für Granada bringen, und du kannst mir glauben, dass deines in diesem Fall noch ein geringes ist!«

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    Dritter Teil
    1484 – 1485

1.
    Córdoba
    15 . August 1484
    D ie Verhandlungen mit den christlichen Königen zogen sich lange hin. Mehr als ein Jahr verstrich, bis die Verträge mit allen Details ausgearbeitet waren, eine hinreichende Anzahl freiwilliger männlicher Geiseln aus adligen Kreisen gefunden war und Aischa Boabdil über viele Briefwechsel hinweg davon überzeugt hatte, den Forderungen der Christen zum Wohl und für den Fortbestand des Maurenreichs zuzustimmen. Als der Tag der Auslösung nahte, rannte der kleine Ahmed längst auf seinen stämmigen Beinchen durch den Palast und hielt mit seinem Forscherdrang nicht nur sein Kindermädchen, sondern auch seine Großmutter und Zahra in Atem. Seit Morayma wusste, dass sie ihr Kind würde hergeben müssen, kamen ihr beim Anblick Ahmeds stets die Tränen, so dass Aischa ihr verboten hatte, ihn mehr als ein Mal die Woche zu sehen. Sie wollte verhindern, dass Morayma ihn mit ihrer Weinerlichkeit ansteckte und verängstigte. Seither saß Morayma zumeist allein in ihren Gemächern und schien von Tag zu Tag schmaler und blasser zu werden.
    An diesem Morgen war es nun so weit. Wie ein pausenlos vor sich hin plätschernder Wasserfall überschüttete Aischa Zahra mit guten Ratschlägen und noch mehr Warnungen, dann meldete Kafur Ismails Ankunft, und sie mussten nach unten gehen. Ismail erwartete sie im Hof mit einer imposanten Eskorte, die außer den Adligen, die als Geiseln am christlichen Hof bleiben mussten, auch den Truhen mit dem Lösegeld sicheres Geleit geben sollte. Das Kindermädchen brachte Ahmed. Zahra sah ihren geröteten Augen an, wie sehr ihr der Abschied Moraymas von ihrem

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