Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
Vom Netzwerk:
Herrscherpaares an. Majestätisch trat die Königin an der Seite ihres Gemahls über die lange Freitreppe auf den Exerzierhof. Sie trug ein aufwendig gearbeitetes, reinweißes Kleid; ihr Haar floss ihr über die Schultern – das Haar so zu tragen war ein Privileg, das nur der Königin zustand – und wurde von einem juwelenbesetzten Diadem gekrönt. Dem Königspaar folgten Höflinge, hohe geistliche Würdenträger und hochgeachtete Feldherren. Als Fernando die Schätze sah, welche die Mauren im Hof abluden, erstrahlte seine Miene im Triumph.
    Die Ankömmlinge verbeugten sich vor dem Königspaar ebenso wie die Scheidenden. Diesmal konnte Zahra gefahrlos in den tiefen Knicks sinken, den sie einst von ihrer Mutter gelernt hatte, der ihr allerdings nicht makellos gelang, weil sich Ahmed aus Furcht vor den vielen fremden Menschen an ihren Hals klammerte.
    Die Königin begrüßte die Mauren mit einem huldvollen Lächeln, deutete auf Zahra und forderte sie auf, mit dem Knaben vorzutreten. Schüchtern machte Zahra einen Schritt nach vorn.
    »Ich nehme an, Ihr seid das Kindermädchen?«, fragte sie.
    Zahra nickte, doch dann fiel ihr ein, dass dies gewiss unhöflich war, und sie haspelte: »Ja, Majestät.«
    Sie wagte nicht aufzusehen, weil sie trotz ihrer maurischen Frauenkleider und ihrer Verschleierung befürchtete, von einem der Anwesenden als der vermeintliche Taufiq wiedererkannt zu werden, doch weder Isabel noch Fernando oder Torquemada schien ihre Ähnlichkeit mit dem Dolmetscher von Baena aufzufallen. Als sie doch einmal kurz den Blick hob, entdeckte sie Gonzalo, der nur wenige Schritte hinter Isabel stand, und verspürte eine Woge der Erleichterung. So würde sie an diesem Hof doch nicht ganz so allein sein, wie sie befürchtet hatte! Auch Gonzalo erkannte sie nun, und auf seinem freundlichen Gesicht breitete sich ein herzliches Lächeln aus. Da spürte Zahra noch einen anderen Blick auf sich – Isabels –, und er war ebenso hart wie drohend. Erschrocken fragte sich Zahra, was sie getan hatte, um die Königin so zu verstimmen, und gab sich rasch mit Ahmed beschäftigt, um ihre Verunsicherung zu überspielen.
    Kurz darauf wies die Königin einen Höfling an, Boabdil zu seinem Sohn zu begleiten, damit er sich von ihm verabschieden könne. Boabdil trat näher und strich Ahmed über die dichten Locken. Zahra sah, wie seine Finger zitterten und in seinen Augen dunkler Schmerz aufglühte. Sie fühlte so sehr mit ihm mit, dass sie Mühe hatte, die Tränen zurückzuhalten.
    »Schau auf, Ahmed, da ist dein Vater«, sagte sie zu dem Jungen, der sein Gesicht noch immer in ihrer Halsbeuge verborgen hatte. Nach ihrer zweiten Aufforderung wagte er, ein wenig den Kopf zu heben. Unsicher beäugte er den fremden Mann. War es die ihm vertrautere Kleidung mit dem Burnus und dem Turban oder Boabdils trauriges Lächeln – auf jeden Fall fiel in diesem Moment alle Scheu von dem Knaben ab, und er streckte seinem Vater die Ärmchen entgegen. Boabdil zog ihn an sich und schien sich an seinem kleinen Gesichtchen nicht sattsehen zu können. »Mein Sohn«, flüsterte er. Wehmütig strich er über die freche Stupsnase, die feinen Lippen, in denen er die seiner Frau erkannte, und die geschwungenen Augenbrauen, welche Ahmed von Aischa und ihm geerbt hatte.
    »Ich werde dich zurückholen«, versprach er ihm und drückte ihn an sich. Über Ahmeds Kopf hinweg tauschten er und Zahra einen Blick, doch sie beide waren zu bewegt, um etwas sagen zu können. Dann gab Boabdil Zahra seinen Sohn zurück.
    Mit versteinertem Gesicht wandte er sich zur Königin und verbeugte sich vor ihr. »Ich danke Eurer Majestät für die mir erwiesene Gunst.«
    Ohne noch einmal zu seinem Sohn zu sehen, schritt er zu seinem Pferd.
    »Abi«,
rief Ahmed, »Vater.«
    Es klang fragend, unsicher und verzweifelt, und seine Ärmchen hoben sich, als wolle er ihn zurückhalten.
    »Ja, mein Liebling, das ist dein Vater«, flüsterte Zahra ihrem Schützling ins Ohr. »Aber er kann nicht bleiben. Doch er wird dich holen kommen. Er hat es dir versprochen!«
    »Abi«,
rief Ahmed noch einmal lauter, und als sein Vater sich auch jetzt noch nicht wieder zu ihm umdrehte, rann eine Träne über seine Wange.
     
    Die Wachsoldaten führten Boabdils Leibwächter zu Ismails Eskorte, und endlich konnte Zahra ihren Bruder sehen. Beredt und voll Liebe verhakten sich ihre Blicke ineinander, und es zerriss Zahra das Herz, dass sie ihn nicht wenigstens kurz umarmen konnte. Bleich und mager war

Weitere Kostenlose Bücher