Die Maurin
verließ, ohne ihr auch nur den Kopf zugewandt zu haben, zerriss es ihr schier das Herz. Wenn sie sich später in ihrem Zimmer über ihre Gefühle Rechenschaft ablegte, fragte sie sich, ob die Einsamkeit ihr allmählich den Verstand raubte. Sie konnte doch nichts mit diesem Maurenhasser zu tun haben wollen! Aber wenn sie ihn wiedersah, sprach ihr Herz eine andere Sprache.
Bald darauf suchte Gonzalo sie im Park auf und erzählte ihr, dass er im Auftrag der Königin unterwegs gewesen sei. Als er sie fragte, ob sein Bruder ihr noch immer im Park auflauere, errötete Zahra und hoffte, dass dies nicht auch oberhalb ihres Schleiers zu sehen war. »Vielleicht hatte Jaimes Anwesenheit im Park gar nichts mit mir zu tun«, brachte sie nach einem Räuspern heraus.
»Natürlich könnte das sein, aber seltsam finde ich es schon«, erwiderte Gonzalo. Er schien zu sehr in seinen Gedanken gefangen, um Zahras Verlegenheit zu bemerken. »Ich habe Jaime übrigens darauf angesprochen, aber statt mir zu antworten, hat er mich angefahren, ich solle mich gefälligst um meine eigenen Angelegenheiten kümmern.« Gonzalo strich sich die Locken aus der Stirn. »Eigentlich denke ich, dass Ihr Euch seinetwegen keine Gedanken zu machen braucht. Jaime ist zwar sehr impulsiv, aber eigentlich kein schlechter Kerl. Auch wenn vieles, was er sagt, brüsk und ungehörig ist und er sich den maurischen Gefangenen gegenüber schändlich verhält, denke ich doch, dass eine Frau jedweder Herkunft nicht mehr von ihm als ein paar unverschämte Sprüche zu befürchten hat.«
Zahra beschloss, ihn in diesem Glauben zu lassen. »Mehr Sorge macht mir derzeit Torquemada. Irgendwie ist es ihm gelungen, Ahmed völlig für sich einzunehmen. Er sagt jetzt sogar Onkel zu ihm!«
»Vielleicht füttert er ihn öfter mit Kuchen als Ihr?« Gonzalo zwinkerte Zahra zu.
»Und wenn es mehr ist als das? Immerhin ist Torquemada der einzige Mann, mit dem Ahmed zu tun hat, wenn man von seinem Erzieher absieht, der jedoch ist so öde und langweilig, dass sich noch keine Fliege freiwillig bei ihm niederlässt. Ich habe Angst, dass Torquemadas Einfluss auf Ahmed immer größer wird!«
»In ein paar Wochen wird Torquemada zu seiner alljährlichen Autodaféreise aufbrechen. Mit ein bisschen Glück vergisst er Ahmed über den brennenden Ketzern!« Er strich Zahra über den Arm. »Ahmed ist noch so jung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Torquemada jetzt schon einen prägenden Einfluss auf ihn haben kann.«
Zahra sah zu ihm auf, und ohne dass sie es wollte, traten ihr Tränen in die Augen. »Wisst Ihr eigentlich, dass Ihr der Einzige seid, mit dem ich hier reden kann?«
Gonzalo hob die Hand, als wolle er sie noch einmal berühren, ließ sie aber wieder sinken. »Ihr könnt immer auf mich zählen, und das nicht nur, weil ich Euch mein Leben verdanke!« Er sah sie eindringlich an.
»Danke«, sagte Zahra leise.
»Habt Ihr sonst noch etwas auf dem Herzen?«
Zahra schluckte. »Nein, nein, danke.«
Er musterte sie eindringlich, aber als sie nichts sagte, meinte er, dass er zurück in den Palast müsse. »Isabel hat eine Besprechung anberaumt.«
Zahra nickte und sah zu, wie Gonzalo zum Palast zurückging. Als die Eingangstür hinter ihm zufiel, fühlte sich Zahra allein und verlassen – und sehnte sich kurz darauf mit einer Heftigkeit nach Jaime, dass ihr schwindlig wurde. Sie strich sich über die Stirn und fragte sich, was, beim Allmächtigen, mit ihr los war.
In der Nacht war Zahra ruhelos. Stundenlang wälzte sie sich in ihrem Bett, dann stand sie auf und trat ans Fenster. Das silberne Mondlicht warf lange Schatten unter den Bäumen im Park; im Nachtwind hoben und senkten sich die Palmenzweige wie Geisterhände. Mit einem Mal entdeckte Zahra einen Mann, der am Stamm einer Palme lehnte und zum Palast hochsah. Als Zahra bewusst wurde, dass er zu ihrem Zimmer schaute, wich sie erschrocken zurück. Kurz darauf spähte sie wieder hinunter, konnte ihn aber nirgends mehr entdecken.
Jetzt sehe ich auch noch Gespenster!, dachte sie kopfschüttelnd, nahm ihre Bürste von der Truhe und begann, ihr taillenlanges Haar zu striegeln. Normalerweise übte dies eine beruhigende Wirkung auf sie aus, doch heute machte es sie nur noch nervöser, und als ihr Haar zu knistern begann, warf sie die Bürste zurück auf die Truhe. Mit einem Mal hörte sie Schritte auf der Galerie. Sie lauschte. Die Schritte waren so leise, als lege jemand großen Wert darauf, nicht gehört zu werden. Dann
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