Die Maurin
begegnete er Torquemada mit Ahmed an seiner Hand. Gonzalo verbeugte sich vor dem Dominikaner und wuschelte Ahmed durch die Haare. »Meine Herren, bist du groß geworden!«
»Ich bin jetzt ein Ritter!«, rief der Junge stolz und zeigte ihm das kunstvoll gearbeitete Holzschwert, das er an seiner Seite trug.
»Bei Santiago, da muss ich mich ja ab jetzt vor dir in Acht nehmen!«
»Willst du mein Schwert mal nehmen?«
Gonzalo war erstaunt, wie gut der Junge inzwischen Spanisch gelernt hatte. Er nickte und ging vor ihm in die Hocke. Mit ernster Miene reichte Ahmed ihm das Schwert. »Pass auf, es ist schwer. Und ganz scharf!«
Gonzalo ließ einen Finger über die Holzschneide fahren. »Unglaublich scharf! Ich nehme an, jetzt passt nicht mehr Zahra auf dich, sondern du auf sie auf, wie?«
Schlagartig verfinsterte sich Ahmeds Miene. »Zahra ist böse!«
»Und warum?«, fragte Gonzalo und lächelte ihn an. »Lässt sie dich keinen Nachtisch mehr essen?«
»Sie hat mich alleingelassen. Einfach weggelaufen ist sie!« Ahmed schluckte. »Aber jetzt passen Onkel Mada und sein Diener auf mich auf.«
Gonzalo sah zu Torquemada auf, der ihn so schadenfroh angrinste, dass Gonzalo ihm am liebsten die Faust ins Gesicht gerammt hätte. Er stieß Ahmed kumpelhaft in die Seite. »Hast du ihr etwa Frösche ins Bett gesetzt und sie damit verjagt?«
Torquemada trat drohend auf Gonzalo zu. »Ich muss Euch doch sehr bitten, meinen Schützling nicht mit solch abstrusen Verdächtigungen zu verwirren! Diese Frau ist einfach ebenso unzuverlässig wie dieses ganze Heidenpack. Aber bald wird es wieder unser Land sein, und dann hat dieses gottlose Treiben ein Ende!«
Gonzalo ersparte sich eine Erwiderung und strich Ahmed über den Kopf. »Zahra wird gewiss bald wiederkommen und dir dann erklären, wo sie gewesen ist. Sie hängt an dir wie an ihrem eigenen Bruder. Lange hält sie es nicht ohne dich aus!«
Ahmed wischte sich mit dem Ärmel über die Augen. »Bist du sicher?«
Gonzalo nickte, erhob sich und verließ den Palast. Torquemadas Blicke brannten ihm noch lange im Rücken.
Über eine Stunde lief Gonzalo durch die belebten Straßen der Stadt, und in seinem Kopf pochte pausenlos die gleiche Frage: Wohin war Zahra gegangen? Bei jeder dunkelhaarigen Frau, die an ihm vorbeikam, wandte er den Kopf, doch keine hatte Zahras ebenmäßiges Gesicht, keine ihre strahlenden, kornblumenblauen Augen, keine ihr herausforderndes Lächeln. Schließlich sank er stöhnend auf einen Mauervorsprung, denn je länger er darüber nachdachte, desto unwahrscheinlicher erschien es ihm, dass Zahra weggelaufen sein könnte. Ganz gleich, was Torquemada und Isabel ihr zugemutet haben mochten – niemals hätte sie Ahmed im Stich gelassen. Es war ihm klar, dass er weder von dem Mönch noch von Isabel die Wahrheit erfahren würde.
Da fiel ihm Miguel ein. Sofort machte er sich auf den Weg zum Pferdestall.
Schon eine Stunde später erreichte er Miguels Besitzungen. Er traf seinen Freund im Hof, wo er den Huf einer lahmenden Stute untersuchte. Als er Gonzalo erblickte, wurde seine Miene schlagartig todernst. Er überließ den Schimmel einem Stallburschen und führte Gonzalo in sein Arbeitszimmer. Kaum hatte Miguel die Tür hinter ihnen geschlossen, brummte er: »Ich kann mir schon denken, warum du kommst!«
»Und?«, rief Gonzalo. »Was weißt du? Wo ist Zahra?«
»Ich habe keine Ahnung!« Miguel stöhnte auf. »Im November habe ich Zahra im Palast bei dem Fest anlässlich der Rückeroberung Zaharas getroffen und am Tag danach Hayat in den Park geschmuggelt, damit die beiden sich sehen konnten. Als wir ein paar Tage später wieder zu ihr wollten, war sie wie vom Erdboden verschluckt.«
»Und hast du herausgefunden, wo sie jetzt ist?«
»Ich habe mich über einen Mittelsmann unter den Palastdienern umgehört. Sie munkeln, Zahra sei weggelaufen …« Miguel zuckte mit den Achseln. »Aber ich glaube das nicht. Denn wenn Zahra aus freien Stücken aus dem Palast verschwunden wäre, hätte sie Hayat längst eine Nachricht zukommen lassen.«
»Aber sie kann sich doch nicht in Luft aufgelöst haben!«
»Natürlich nicht, und ich habe schon einen Verdacht – oder zumindest hatte ich ihn. Genau genommen würde nämlich auch das nicht erklären, warum sich Zahra nicht mit Hayat in Verbindung setzt.«
»Welchen Verdacht?«
»Nun ja …« Miguel sah zu Boden. »Ich, also, ich habe mit Zahra über dein Bestreben geredet, deine Ehe annullieren zu lassen.« Mit einem
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