Die Maurin
der Soldaten eilte nun Yazid zu Hilfe. Raschid versuchte, sich zur Tür vorzuarbeiten, doch sein Halbbruder rief seinem Untergebenen zu, ihn nicht seitlich entwischen zu lassen.
Da kam Abdarrahmans Leibdiener Zubair mit zwei weiteren Dienern in den Raum gestürzt. In den Händen hielten sie am vorderen Ende verdickte Stangen, die zum Brotbacken benutzt wurden. Mit den flachen Enden voraus stürmten sie auf Yazid und die Soldaten los. Die drei wichen zurück – und Raschid konnte aus dem Raum schlüpfen. Die Hausdiener stürzten ihm nach, schlugen die Tür zu und hielten sie geschlossen, während Raschid eine Truhe herbeizerrte und sie hochkant unter die Türklinke klemmte. Vor Wut brüllend, traten und drückten Yazid und seine Soldaten von innen gegen die Tür.
»Wir können im Moment nichts für Vater tun«, keuchte Raschid. »Bringen wir die Kinder und Deborah in Sicherheit, ehe sie die Tür aus den Angeln heben!«
Zubair starrte ihn erschrocken an. »Aber Euer Vater …«
Raschid schüttelte den Kopf. »Vater würde nicht wollen, dass wir die Kinder und uns alle in Gefahr bringen, um ihn zu retten, und das weißt du!«
Der Diener blickte noch einmal zur Tür. Raschid ahnte, was in Zubair vorging: Er diente seinem Vater seit mehr als fünfunddreißig Jahren.
»Wir müssen los, die Kinder!«
»Ja, Herr, Ihr habt recht. Sie … sie sind schon vor dem Haus.«
»Dann nichts wie raus hier!«, rief Raschid.
Draußen eilten ihnen zwei Diener mit betressten, aber wegen der Eile ungesattelten Pferden entgegen. Raschid half seiner schwangeren Frau beim Aufsteigen, reichte ihr ihre Tochter und der bereits aufsitzenden Tamu Mahdi. Anschließend setzte Raschid den fünfjährigen Yaqub auf das letzte freie Pferd und schwang sich hinter ihn.
»Halte dich an der Mähne fest«, befahl er seinem Sohn, schlang den linken Arm um ihn und presste dem Rappen die Fersen in die Flanken. Wie gestochen stob der Hengst davon, dicht gefolgt von den anderen Rössern. Raschid sah zurück, um sich zu vergewissern, dass ihnen die Frauen mit den Kindern nachkamen. Sie rutschten zwar ein wenig unbeholfen auf den blanken Pferderücken hin und her, konnten aber ihr Gleichgewicht halten. Hinter ihnen ritten Zubair und die anderen Diener zu ihrem Schutz. Im Galopp durchquerten sie die engen, gepflasterten Straßen der Stadt; Soldaten wie Passanten sprangen beiseite. Dann stellte sich ihnen ein Soldat in den Weg. Als Raschid fast auf seiner Höhe war, ergriff er Raschids Zügel und hängte sich hinein. Raschids Hengst geriet ins Schlittern und bäumte sich wiehernd auf. Raschid trat dem Mann gegen den Kopf. Stöhnend sank er zu Boden, und Raschid galoppierte weiter.
Nach wenigen Straßenzüge erreichten sie das Stadttor. Raschid kannte die beiden Wächter und machte ihnen Zeichen, sie vorbeizulassen. Die beiden sprangen beiseite, aber hinter ihnen trat ein Soldat hervor, den Raschid als einen der Getreuen Hassans kannte. Der Mann richtete sein Schwert gegen sie. Mit seinem unbewaffneten Gefolge durfte sich Raschid auf keinen Kampf einlassen und trieb sein Pferd entschlossen weiter. Raschid kam an Hassans Soldat vorbei, aber dann hörte er Deborah aufschreien, und er blickte sich um. Der Soldat hatte ihr Pferd aufhalten können und drückte sein Schwert gegen den Hals seiner kleinen Tochter. Raschid und seine Diener wendeten die Pferde.
»Los, absteigen!«, herrschte der Soldat Deborah an. »Und die anderen auch!«
Raschid reichte seinen Sohn Zubair und ritt auf den Getreuen Hassans zu. Grinsend wandte sich dieser ihm zu und drückte dem Kind die Schwertspitze noch fester gegen den Hals, so dass Sadiya aufschrie. Deborahs Stute stieg; krampfhaft hielten sich Deborah und Sadiya an der Mähne fest. Noch ehe der Soldat wieder das Schwert auf seine Tochter richten konnte, hieb Raschid ihm mit einem einzigen Schlag die Hand ab, welche noch immer die Zügel von Deborahs Pferd hielt. Blut spritzte Deborah und Sadiya auf die Kleider und ins Gesicht, doch erst als sich die abgehakte Hand wie ferngesteuert von dem Zügel löste, schrien sie gellend auf und schienen nicht mehr aufhören zu können. Raschid packte die Zügel ihres Pferdes, zerrte es hinter sich her und rief den anderen zu, weiterzureiten, während auch er sein Pferd antrieb. Nur einen Atemzug später spürte er einen mörderischen Schmerz in der Schulter, aber er wusste, dass er sich jetzt durch nichts in der Welt aufhalten lassen durfte. Immer schneller preschte er weiter und
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