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Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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brachte sein Pferd erst zum Stehen, als sie die Stadt weit hinter sich gelassen hatten. Er glitt vom Pferd und sank ohnmächtig zu Boden.
     
    Tamu befahl den Dienern, Raschid ins Gras zu betten, und erklärte Zubair, wie er den Pfeil aus Raschids Schulter ziehen musste. »Der Allmächtige stehe ihm bei, er hat viel Blut verloren«, murmelte sie hernach.
    Die schluchzende Sadiya im Arm, starrte Deborah tränenblind auf ihren bleich daliegenden Mann. Tamu drückte ihr ein Stück Stoff in die Hand. »Presst das fest in die Wunde, bis ich wiederkomme. Ich hole im Wald Kräuter!«
    Deborah folgte ihrer Anweisung mechanisch und mit zitternden Händen. Schon bald kam Tamu zurück. »Die Kräuter sollten die Blutung stillen.« Mit Hilfe von Stoffstreifen aus ihrem Hidschab legte sie Raschid einen Druckverband an.
    »Es gibt keinen Schutz und keine Macht außer bei Gott, dem Erhabenen«, murmelte sie anschließend. Mit angstgeweiteten Augen kniete sich Deborah neben ihren Mann und wiegte die noch immer wimmernde Sadiya im Arm. Yaqub stand bleich und wie erstarrt neben ihnen. Zubair bat ihn, sich mit ihm auf die Suche nach einem Versteck zu machen. Dankbar, etwas für seinen Vater tun zu können, schob der Junge seine kleine Hand in die des alten Dieners und bereitete Raschid später in der Höhle, die sie fanden, ein Lager aus Moos.
    Erst am nächsten Tag kam Raschid zu sich. Seine Augen glänzten fiebrig. Deborah flößte ihm Wasser ein; schon nach dem ersten Schluck verlor er erneut das Bewusstsein.
    Bis zum Abend war Raschids Stirn so heiß wie frisch gebackenes Brot.
    »Raschid, ich flehe dich an, verlass uns nicht«, weinte Deborah und legte ihm kühlende Umschläge auf die Stirn. Um Mitternacht löste Tamu sie ab.
    Auch am folgenden Tag erwachte Raschid immer nur für wenige Minuten; mit Mühe gelang es ihnen, ihm Wasser einzuflößen. Von dem Hasenbraten, den sie Zubairs Jagdglück zu verdanken hatten, nahm er gar nichts zu sich.
    »Was soll bloß werden, wenn der Herr von uns geht?«, stöhnte Zubair und erntete dafür einen zornigen Blick Tamus.
    Am nächsten Morgen war Raschids Fieber etwas gesunken, und er kam zum ersten Mal richtig zu sich. Vor Erleichterung aufschluchzend, sank ihm Deborah an die Brust. Als Raschid etwas getrunken und endlich auch einen Bissen Fleisch zu sich genommen hatte, erzählte ihm Zubair, dass er zur Seidenfarm geritten war, dort aber auf Hassans Häscher gestoßen sei, die in der Nähe Lager bezogen hatten.
    Raschid nickte. »Also folgen wir Boabdil nach Almería.«
    Er versuchte sich aufzusetzen, doch der Schmerz in seiner Schulter zwang ihn zurück auf sein Lager. »Sieht allerdings nicht danach aus, als ob wir schon heute weiterkönnten«, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
     
    Drei Tage später ging es Raschid so gut, dass sie aufbrechen konnten. Am Abend begann Sadiya zu fiebern. Die Schrecken der Flucht, die abgehackte Hand, die Verletzung ihres Vaters – das alles war für das kaum dreijährige Mädchen zu viel gewesen. In den letzten Tagen hatte es nicht mehr gesprochen, fast nichts gegessen und die meiste Zeit apathisch in den Armen der Mutter gelegen. Doch erst jetzt, wo das Fieber hinzukam, machten sich die Erwachsenen Sorgen um sie. Mit Tränen, Betteln und Flehen brachte Deborah sie dazu, wenigstens ein wenig Ziegenmilch zu trinken, die sie bei Bauern kauften, aber trotz der nahrhaften Milch und Tamus Beschwörungen wurde das Kind täglich blasser und schließlich so durchscheinend, dass man die Adern unter ihrer Haut erahnen konnte. Das Kind schien nur noch aus großen, dunklen Augen und nachtschwarzen Locken zu bestehen. In der Hoffnung, dass ein Arzt mehr für das Kind tun könnte, eilten sie weiter und erreichten sechs Tage später Boabdils Palast in Almería. Sofort ließ der Emir seinen Leibarzt holen, doch der konnte nur bedauernd mit den Achseln zucken.
    Weinend sank Deborah an das Lager ihrer kleinen Tochter und versuchte, ihr weiter Ziegenmilch einzuflößen, aber das Kind schluckte nichts mehr und reagierte auch auf ihre Ansprache nicht. Deborah rief nach Tamu. »Ich flehe dich an, du musst doch noch irgendetwas tun können!«
    »Gegen die Schreckensgeister des Todes sind meine Heilkünste machtlos«, presste die Alte erstickt hervor und konnte den Blick nicht mehr von dem schwindenden Kind nehmen.
    Auch Raschid rührte sich nicht vom Lager seiner Tochter und wiegte Deborah in den Armen.
    »Immer wieder der Tod, der Tod, der Tod«,

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