Die Maurin
denn je. »Und ich sage dir, Abdarrahman, dass Raschid nicht zu den Kastiliern übergelaufen ist!«
»Wo soll er denn sonst sein?«
»Lass nach ihm suchen. Es muss ihm etwas zugestoßen sein.«
»Hier, in Granada?« Abdarrahman blitzte sie an. »Keinem Kind wird in unseren Gassen auch nur ein Haar gekrümmt. Was soll dann unserem waffenerprobten Sohn mit zwei unserer besten Männer an seiner Seite geschehen?«
»Und wo sind die beiden Männer jetzt?«
Abdarrahman sah seine Frau an. In seinen Augen flackerte ein Hauch Verunsicherung auf.
»Lass nach Raschid und den beiden Männern suchen«, beschwor Leonor ihn. »Bitte, Abdarrahman! Ich weiß, dass Raschid sein Land niemals verraten würde.«
Abdarrahman ging im Zimmer auf und ab. »Also gut«, knurrte er schließlich. »Ich schicke ein paar meiner Männer los.«
Zahra schloss die Augen und betete, dass sie ihren Bruder unversehrt finden würden.
Am Abend konnten Abdarrahmans Männer nichts mehr über den Verbleib von Raschid und seinen Begleitern herausfinden, aber am nächsten Morgen fanden sie den jungen Safuan, einen der beiden Begleiter, ohnmächtig und schwerverletzt unweit der Stadttore. Sie brachten ihn in Abdarrahmans Haus, der den Mann sofort in eines der Gästezimmer bringen und den Arzt holen ließ.
»Mein Gott, wer hat den armen Kerl denn dermaßen zugerichtet?«, stöhnte der Medicus und machte sich daran, die zahlreichen Stich- und Platzwunden zu säubern, zu nähen und zu verbinden. Die größten Sorgen bereiteten ihm die drei Rippenbrüche und die tiefe Kopfwunde des Mannes. »Es ist ein Wunder, dass er noch lebt!«
Erst Stunden später kam Safuan zu sich. Doch er konnte ihnen nicht weiterhelfen, er hatte nicht gesehen, wer ihn überfallen hatte.
»Sie haben sich aus einem Hinterhalt auf uns gestürzt«, erklärte er Abdarrahman. Zwischen jedem seiner Worte rang er nach Luft. »Es waren mindestens fünf. Als ich zusammenbrach, dachten sie wohl, ich sei tot, und ließen mich liegen.«
Der andere Begleiter hatte weniger Glück gehabt. Als Safuan nach seiner ersten Ohnmacht zu sich gekommen war, hatte er ihn tot neben sich gefunden. »Und dann habe ich mich zurück zur Stadt geschleppt …«
»Aber mein Sohn?«, rief Abdarrahman. »Wo ist Raschid?«
Safuan hob die Achseln, eine Bewegung, die er sogleich mit einem schmerzhaften Stöhnen quittierte. »Ich weiß es nicht. Als wir aus der Alhambra gekommen sind, hat uns ein Mann aufgehalten. Er hat kurz mit Eurem Sohn geredet. Zuerst wurde Raschid wütend, aber dann nickte er ihm zu und sagte uns, er müsse in den
suq.
Als wir dort ankamen, hat uns Euer Sohn befohlen, am Eingang des
suqs
auf ihn zu warten, und ist dann in dem Gedränge vor den Einkaufsständen dort verschwunden. Nach einer Weile kam der gleiche Mann zu uns, der zuvor mit Eurem Sohn gesprochen hatte, und sagte uns, unser Herr brauche unsere Hilfe. Er führte uns zu einem verlassenen Bauernhof vor der Stadt. Wir hatten kaum einen Fuß in das Wohnhaus gesetzt, als auch schon mehrere Männer über uns herfielen.«
»Wer war dieser Mann, der Raschid angesprochen hat?«, wollte Abdarrahman wissen. »Hast du ihn schon einmal in Granada gesehen?«
»Nein, noch nie.«
»Aber er war Maure?«
Safuan überlegte. »Er war nach arabischer Art gekleidet und hat unsere Sprache perfekt gesprochen, allerdings mit einem merkwürdigen Akzent.«
»Einem spanischen?«
»Ich weiß es nicht, Herr.«
Abdarrahman nickte ihm zu. »Ruh dich jetzt aus, damit du wieder zu Kräften kommst!«
Er wies eine Dienerin an, bei Safuan zu bleiben, seufzte auf und machte sich auf den Weg zu seiner Frau und den Mädchen, die im Wohnraum auf ihn warteten.
Als er die Tür öffnete, lief Leonor auf ihn zu.
»Und, was sagt er?«, rief sie. »Wo ist Raschid?«
Mit beiden Händen strich Abdarrahman sein Haar über der Stirn zurück.
»Es ist, wie ich vermutet habe«, erklärte er ihr. Seine Stimme klang belegt, als er zusammenfasste, was er von Safuan erfahren hatte. »Raschid muss schon die ganze Zeit mit den Kastiliern gemeinsame Sache gemacht haben. Ich nehme an, der Unbekannte war sein Mittelsmann. Als der gehört hat, dass ihr Plan gescheitert war, ist es ihm und Raschid wohl nur noch darum gegangen, die Kastilier rechtzeitig vor dem Überfall auf Zahara zu warnen – da waren ihnen Safuan und sein anderer Begleiter im Weg. Je später jemand ihr Verschwinden bemerkte, desto größer war ihr Vorsprung.«
»Niemals würde Raschid so etwas tun«,
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