Die Maurin
und wuschen in dem dafür vorgesehenen Becken Wäsche. Erst jetzt merkte Zahra, welchen Durst sie hatte. Trotzdem wagte sie nicht, sich zwischen den Frauen hindurch zur Wasserstelle zu schieben. Als sie gerade in dem alten Haus verschwinden wollte, strich ihr jemand mit dem Finger zwischen den Schulterblättern entlang und säuselte mit vor Wollust kehliger Stimme: »Na, meine Schöne, ganz allein unterwegs?«
Doch nicht seine Wollust ließ Zahra vor Angst erstarren. Nein, sie erkannte seine Stimme – und jeder fremde Vergewaltiger wäre ihr in diesem Moment lieber gewesen. Hinter ihr stand Yazid.
Weglaufen war Zahras erster Instinkt, aber sie wusste, dass Yazid sie auch dann im Nu eingeholt hätte, wenn sie nicht durch ihre ausgekugelte Schulter behindert gewesen wäre. Auch auf Hilfe von den Frauen an den Zisternen konnte sie nicht rechnen. Keine würde einem Herrn entgegentreten, um einer Frau in Bettlerkleidern beizustehen. Zahra schluckte hart, zog ihren Hidschab tiefer ins Gesicht, senkte den Kopf und flehte mit verstellter Stimme: »Bitte, Herr, lasst mich gehen.«
»Das werde ich schon, aber hinterher!« Höhnisch auflachend packte Yazid Zahra an der Schulter und drehte sie um. Obwohl er lediglich die unverletzte Schulter berührt hatte, konnte Zahra nur mit Mühe einen Schmerzensschrei unterdrücken. »Jetzt zier dich nicht so«, knurrte Yazid und drückte sie gegen die Hauswand. »Einen paar schnell verdienten Dirhams seid ihr Weiber doch nie abgeneigt, und an dir hängt sogar noch das Stroh von deinem letzten Abenteuer!« Wie zum Beweis pickte er einen Strohhalm von Zahras Hidschab und blies ihn ihr mit anzüglichem Grinsen entgegen.
»Bitte, Herr, habt Erbarmen. Ich bin verletzt, meine Schulter … Ich kann Euch nicht zu Diensten sein!«
»Mein Erbarmen ist meine klingende Münze, und deine Schulter interessiert mich nicht«, knurrte Yazid ungeduldig und zog ihr mit einem schnellen Griff den Hidschab vom Kopf. Als ihr langes, dunkles Haar über ihre Schultern wallte, stutzte Yazid und sah Zahra forschend in das nur noch von dem Schleier verdeckte Gesicht. Dann trat endgültig Erkennen in seine Miene. Zahras Herz sank bis in die Kniekehlen. »Yazid, bitte, ich kann alles erklären!«
Yazid versetzte ihr eine schallende Ohrfeige. Der Ruck fuhr Zahra bis in die Schulter, und ihr wurde schwarz vor Augen. Taumelnd sank sie gegen die Wand.
»Verkommenes Weibsstück, aber etwas anderes ist von der Tochter einer Christenhure wohl auch nicht zu erwarten!« Mit zornblitzenden Augen trat Yazid noch näher auf sie zu.
»Bitte nicht, Yazid! Meine Schulter ist ausgekugelt und …«
»Ausgekugelt?« Yazid verpasste ihr einen Stoß. Zahra stürzte zu Boden und schrie vor Schmerzen auf.
»War wohl ziemlich stürmisch, dein Liebhaber!« Voller Verachtung spuckte Yazid ihr ins Gesicht. »Und was trägst du da überhaupt für liederliche Lumpen? Hast dich wohl gar im Hurenviertel verkauft, was?«
Ohne Rücksicht auf ihre Verletzung riss er sie wieder auf die Füße und stieß sie vor sich her. »Los, nach Hause. Ich hoffe nur, Vater versteht jetzt endlich, was für verderbtes Pack er mit dieser Christenschlampe gezeugt hat!«
»Yazid, bitte, ich …«
Yazid rammte ihr die Faust in den Rücken. »Geh!«
Abdarrahman befahl seinem Sohn, ihn mit Zahra allein zu lassen. Yazid war enttäuscht, nicht Zeuge von Zahras Bestrafung werden zu können, aber die Ader auf Abdarrahmans Stirn pochte so heftig, dass er der Aufforderung trotzdem augenblicklich Folge leistete. Als die Tür hinter ihm zufiel, drückte sich Zahra tief in die Zimmerecke. »Vater, bitte, ich kann alles erklären!«
Da ging die Tür noch einmal auf. Knurrend fuhr Abdarrahman herum. »Habe ich nicht deutlich gesagt, dass ich hier niemanden sehen will?«
Leonor zuckte zusammen. Sie war durch das lautstarke Getöse, das Yazid beim Betreten des Hauses veranstaltet hatte, aus dem Mittagsschlaf gerissen worden. Ihr Haar wallte engelsgleich über die Schultern, und sie wirkte in ihrem dünnen Nachthemd noch zerbrechlicher und schutzbedürftiger als sonst. »Abdarrahman, was ist hier los? Und wieso lässt du zu, dass Yazid Zahra anbrüllt und beleidigt?«
»Halt dich da raus, Leonor, und geh!«
Leonor sah ihn an. Verständnislosigkeit und tiefe Sorge standen ihr ins Gesicht geschrieben. Dann trat auch Trotz hinzu. Sie sah zu Zahra, wurde auf ihre seltsame Armstellung aufmerksam, ging zu ihr und tastete ihr die Schulter ab. Mehr als dies
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