Die Maurin
wieder ganz geschlossen und der Gefangene auf dem besten Weg, sich davonzumachen. Jaime setzte ihm nach, packte ihn am Kragen und schlug ihn nieder. Auch als der Mann schon am Boden lag, prügelte und trat er noch weiter auf ihn ein. Gonzalo eilte zu ihm. »Jaime, das reicht!«
Jaime verpasste dem Reglosen einen weiteren hasserfüllten Fußtritt in den Magen. »Meinst du, die wären mit mir während meiner Gefangenschaft letztes Jahr zimperlicher umgegangen?«
Statt etwas zu erwidern, stieß Gonzalo einen Schwall Luft aus. Schon zu oft hatten sie über dieses Thema gestritten. Natürlich war Jaime damals von zwei der ihn bewachenden Mauren übel mitgespielt worden, aber er konnte trotzdem nicht nachvollziehen, dass sich Jaime dafür an allen Mauren rächen zu müssen meinte, die seinen Weg kreuzten. Gonzalo machte dem wachhabenden Soldaten Zeichen, sich um den stöhnenden Mann zu kümmern. Je eher der Maure aus der Reichweite seines Bruders kam, desto besser für ihn.
Ein Soldat rief vom Wehrgang: »Die Mauren graben uns das Wasser ab!« In seiner Stimme klang ungläubiges Entsetzen.
Gonzalo eilte hinter seinem Bruder hoch auf den Wehrgang, wo auch gerade der Marqués eintraf. Auf den ersten Blick sahen sie, dass der Soldat recht hatte: Die Mauren bauten einen Staudamm.
»Wie steht es um unsere Wasservorräte?«, fragte Gonzalo besorgt.
»Nicht besonders«, erwiderte der Marqués. »Die Stadt bezieht ihr Wasser einzig und allein über diesen Strom. Es gibt hier weder Quellen noch Zisternen. Nicht umsonst heißt Alhama auch Alhama
la Seca,
das trockene Alhama.«
»Madre mía«,
stöhnte Gonzalo. Er überschlug, dass sich außer ihrer Truppe und den Pferden noch etliche hundert Christen in der Stadt befanden, die schon unter den Mauren hier gelebt hatten, sowie noch einmal so viele maurische Gefangene.
»Was genau heißt nicht besonders?«, fragte er den Marqués. Ponce de León hob unsicher die Achseln.
Gonzalo übernahm es selbst, sich ein Bild von den Wasservorräten zu machen; anschließend suchte er den Marqués, um ihm Bericht zu erstatten. Er fand ihn auf dem Wehrturm, wo er wie ein im Käfig gefangener Tiger unablässig hin und her lief.
»Selbst wenn wir die Vorräte streng rationieren und alles Wasser bis zum völligen Versiegen des Zuflusses sammeln, werden wir uns kaum mehr als zwei, drei Tage behelfen können«, erklärte Gonzalo.
»Die Hilfstruppen, die wir von unseren Nachbarn angefordert haben, werden bis dahin aber kaum hier sein – wenn sie die Brieftaube mit unserer Nachricht überhaupt erreicht hat.« Der Marqués biss sich auf die Lippen.
»Wie hast du dir die Rationierung überhaupt vorgestellt?«, mischte sich nun Jaime in das Gespräch.
»Die Soldaten bekommen einen Becher, alle anderen einen halben Becher Wasser am Tag«, erwiderte Gonzalo. »Den Pferden müssen wir wenigstens einen Eimer Wasser am Tag zugestehen.«
»Mit ›alle anderen‹ meinst du hoffentlich nicht auch das Maurenpack?«
»Natürlich bekommen auch die Mauren Wasser.« Gonzalo hielt dem Blick seines Bruders stand. »Dich haben sie während deiner Gefangenschaft auch nicht verdursten lassen!«
»Aber wir hatten ihnen auch nicht das Wasser abgegraben!« Er fuhr zu dem Marqués um. »Wollen wir doch einmal sehen, ob die Mauren das Wasser nicht schnell wieder fließen lassen, wenn sie ihre Landsleute vor Durst schreien hören!«
Der Marqués blickte zwischen Gonzalo und Jaime hin und her und entschied: »Die Mauren kriegen keinen Tropfen!«
Gonzalo schluckte, erwiderte aber nichts.
Schon am dritten Tag war das Jammern und Klagen der verdurstenden Mauren auch vor der Stadtmauer nicht mehr zu überhören. Gonzalos Bruder Jaime war inzwischen schon mehrmals mit seinen Männern gegen die Truppen der Mauren ausgeschwärmt, die ihnen das Wasser abgruben, und wenn er den Bau des Staudamms auch nicht verhindern konnte, so verzögerte sein Einsatz doch zumindest dessen Fertigstellung. Gonzalo graute vor dem zuletzt gesammelten Wasser: Es war rot vom Blut der Verletzten und Gefallenen, und er hielt seinem Bruder vor, dass er jeden Tropfen Wasser mit einem Tropfen Blut erkaufe, woraufhin Jaime ihm lapidar erwiderte, er müsse es ja nicht trinken, wenn es ihm nicht rein genug erschiene.
Erbost suchte Gonzalo den Marqués auf und bat ihn, dem Irrsinn ein Ende zu bereiten. »Wenn wir den Mauren die Stadt überlassen, gewähren sie uns sicher freien Abzug!«
Doch der Marqués war für diesen Vorschlag noch nicht
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