Die Maurin
erwiderte Aischa, »und müssen uns daher weiter den äußeren Umständen anpassen.«
Der Wesir nickte, schob seine Unterlagen zusammen und machte dem Faqih Zeichen, sich zu erheben. Der Wesir hatte es schwerer als sein um einige Jahre jüngerer Begleiter, sich von den niedrigen Polstern zu erheben. Als er stand, atmete er auf und strich seinen feinen, weißen Baumwollburnus glatt. Dann verabschiedeten sich die beiden weisen Männer und verließen den Raum über die Hintertreppe. Als ihre Schritte verklangen, ergriff Aischa Zahras Hand und zog sie zu sich. Wie meist war ihrer Miene nicht anzusehen, was in ihr vorging, aber auch Zahra ahnte, was Laila Aischa zugeflüstert hatte. Es wunderte sie daher nicht, dass Aischas Hand feucht und ihr Griff klamm war.
»Wann kommt er?« Zahra war bemüht, sich ihre Furcht nicht anmerken zu lassen.
»Jeden Moment.«
»Wisst Ihr auch, warum er kommt?«
Aischa schüttelte den Kopf. »Ich hoffe nur, er hat nicht herausgefunden, dass ich mich trotz seines ausdrücklichen Verbots weiter mit dem Wesir treffe.« Sie biss sich auf die Lippe. »Sorg dafür, dass die Frauen nebenan bleiben.«
Zahra ging zum Nebenzimmer und übermittelte Aischas Befehl. Als sie zur Sultanin zurückging, musste sie daran denken, wie kühl und distanziert diese anfangs zu ihr gewesen war. In den ersten Jahren hatte Aischa noch genau abgewogen, wie viel sie sie wissen ließ, damit sie einen Auftrag für sie ausführen konnte, und wie viel sie ihr verschweigen durfte – um sich nicht mehr als nötig in ihre Hand zu geben. Je mehr Zahra vom Leben und den Intrigen in der Alhambra erfahren hatte, desto besser hatte sie diese Vorsicht verstanden. Mit der Zeit aber hatte Aischa Vertrauen zu ihr gefasst und war nun sogar dazu übergegangen, sich ausführlich mit ihr zu beraten, ehe sie eine Entscheidung traf.
»Es fällt mir leichter, Dinge in die Tat umzusetzen, wenn ich sie vorher aussprechen kann«, meinte sie in solchen Momenten zu Zahra. Ihre getreue Dienerin Laila hingegen hatte für Aischa eine ganz andere Funktion: Sie informierte sie über Hassans Kommen und Gehen. Einer der Diener Hassans war über beide Ohren in die aparte Syrierin verliebt und hielt sie bei ihren heimlichen Treffen darüber auf dem Laufenden, wann mit dem Erscheinen Hassans im Comaresturm zu rechnen war und wann er die Alhambra für längere Zeit verließ. Der einfältige Tropf ahnte nicht, wie wertvoll dies für Aischa war.
Aischa erlaubte Zahra, sich neben sie auf eines der Polster zu setzen. »Ehrlich gesagt, war ich ganz froh, die beiden auf diese Art und Weise schnell loszuwerden«, gestand sie ihr.
»Aber der Wesir ist doch der einzige Freund, den Ihr in Hassans Gefolge noch habt, und …«
»Natürlich ist er das«, unterbrach Aischa sie, »aber bedenke auch, was der Wesir über die Stimmung in der Stadt gesagt hat: Das Volk ist über Hassans Niederlage in Alhama ebenso wütend wie enttäuscht. Vor seinem Aufbruch hat er große Hoffnungen geweckt und sie nicht nur nicht erfüllen können, sondern den Menschen überdies noch sagen müssen, dass Tausende ihrer Landsleute bei dem Versuch der Rückeroberung der Stadt gefallen sind. Den Kastiliern die Stirn zu bieten war kein Fehler. Ein Fehler aber war, dass sich Hassan nicht zuvor um Unterstützung bei unseren afrikanischen Glaubensgenossen bemüht hat. Eigentlich bleibt ihm nun nichts anderes übrig, als mit den Christen Verhandlungen aufzunehmen, doch ich bezweifle, dass er das begreift. Unser Volk hat genug vom Krieg. Es will endlich wieder in Ruhe und Frieden leben und ohne Angst seinen Geschäften nachgehen können, und genau dafür scheinen ihm Hassan und sein Gefolge immer weniger Garanten zu sein.«
»Und Ihr brennt darauf, diese Stimmung auszunutzen – allerdings nicht so, wie der Wesir es Euch vorgeschlagen hat«, schloss Zahra.
Statt einer Antwort huschte über Aischas Gesicht der Anflug eines echten Lächelns, das nur selten bei ihr zu sehen war. Verwundert stellte Zahra fest, wie viel jünger Aischa dadurch wirkte. Sonst war ihre Miene meist geprägt von tiefen Sorgenfalten und Verbitterung. Was für eine schöne Frau sie noch immer ist, schoss es Zahra durch den Kopf. Sie rechnete nach, dass Aischa die fünfzig noch nicht überschritten haben konnte.
»Die Zeichen stehen auf Umsturz«, fuhr Aischa fort, »und du hast gehört, wen der Wesir als Nachfolger für Hassan vorgeschlagen hat – alles Männer, die ihm nahestehen und die zweifellos ihre
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